Witten. . Der Kinderhospizdienst Ruhrgebiet hat seinen Sitz in Herbede. Dort öffnet er am Freitag (10.2.) seine Türen – um Barrieren abzubauen.

  • Kinderhospizdienst Ruhrgebiet e.V. begleitet Familien mit unheilbar erkrankten Kindern
  • Ehrenamtliche besuchen die Familien zu Hause und helfen bei der Bewältigung des Alltags
  • Verein lädt am Tag der Kinderhospizarbeit (10.2.) zum Tag der offenen Tür in Herbede ein

Von außen sieht es aus wie ein ganz normales Wohnhaus am Ende der Straße „Am Herbeder Sportplatz“. Die Wände im Eingangsbereich hängen voller Fotos. Darauf zu sehen sind Menschen mit lachenden Gesichtern, bei fröhlichen Festen oder aufregenden Ausflügen. Hier hat der Kinderhospizdienst Ruhrgebiet e.V. seinen Sitz. Und hier geht es längst nicht nur um den Tod, „hier wird gelebt“, sagt Birgit Schyboll, die den Verein vor 16 Jahren gründete.

„Viele Menschen haben völlig andere Vorstellungen, von dem, was wir tun“, sagt die 63-Jährige. „Häufig haben sie das Sterben vor Augen.“ Weil sie die Arbeit des Dienstes mit jener in einem Hospiz für Erwachsene verbinden. „Viele wissen nicht, dass wir die Kinder von der Diagnose an begleiten.“ Die allerdings müsse lebensverkürzend sein – und stelle damit den Alltag der betroffenen Familie auf den Kopf.

Das Haus der Kinderhospizdienstes Ruhrgebiet in Herbede.
Das Haus der Kinderhospizdienstes Ruhrgebiet in Herbede. © Thomas Nitsche

„Viele sind erst mal hilflos, deshalb sorgen wir für die bestmögliche Unterstützung“, sagt Birgit Schyboll. Damit Eltern neben der emotionalen Achterbahnfahrt auch die „Riesenlogistik“ bewältigen können. Und beim Hürdenlauf von Krankenkasse zu Pflegedienst, von Kliniken zu Ärzten die gesunden Geschwister nicht vergessen.

Gerade kommt Sarah herein. Die 31-Jährige umarmt Birgit Schyboll, die mit dem Vater der jungen Frau zur Schule gegangen ist. Dass sie sich in diesem Haus wiedergetroffen haben, liegt an Lina, Sarahs kleiner Tochter. Die Siebenjährige hat eine sehr seltene Erkrankung, weltweit seien nur elf Kinder betroffen, sagt die Mutter. Um es vereinfacht auszudrücken: Das Mädchen hat am X-Chromosom ein Stück zuviel. Dies äußert sich in einer starken Entwicklungsverzögerung auf allen Ebenen: sprachlich, emotional, motorisch.

Seit knapp einem Jahr nimmt die Wittener Familie die Hilfe in Anspruch. „Als mir eine Therapeutin den Kinderhospizdienst empfahl, habe ich geweint und gedacht, soweit ist es bei uns doch noch nicht.“ Schnell habe sie aber die Wärme gespürt „und dass wir nicht alleine sind mit unseren Problemen“. Inzwischen könne sie das Leben auch unter diesen schwierigen Voraussetzungen genießen: „Wir nehmen jeden Tag, wie er kommt.“

Hell und freundlich: Die Räume strahlen Wärme aus.
Hell und freundlich: Die Räume strahlen Wärme aus. © Thomas Nitsche

Einmal in der Woche besucht eine ehrenamtliche Mitarbeiterin die Familie zu Hause. In der vertrauten Umgebung spielt sie mit Lina oder deren kleinem Bruder, der sich manchmal allein gelassen fühlt, weil die große Schwester viel mehr Aufmerksamkeit braucht. Ein paar Stunden sind das nur. Doch für Sarah, die nachts kaum schläft, weil Lina sich oft meldet, heißt das: auch mal in Ruhe einen Kaffee trinken zu können. „Das habe ich mich erst gar nicht getraut.“

Wie lange die Familie die Entlastung benötigt, steht in den Sternen. Doch wenn sie an den regelmäßigen Veranstaltungstagen das Haus in Herbede besucht, „dann geht für die Kinder die Sonne auf“, sagt Sarah. „Weil hier jeder so akzeptiert wird, wie er ist.“

„Wir sind Spezialisten für verrückte Sachen“

Aktuell unterstützt der Kinderhospizdienst Ruhrgebiet 35 bis 40 Familien und begleitet sie bei Bedarf vom ersten Lebenstag des unheilbar erkrankten Kindes bis zum 27. Lebensjahr. „Und die Anfragen wachsen stetig“, sagt Initiatorin Birgit Schyboll.

Mit ihr gibt es derzeit vier feste Mitarbeiter, eine Mini-Jobberin, eine Jahrespraktikantin und ab Juni eine weitere Vollzeitkraft. Doch nichts ginge ohne die 40 Ehrenamtlichen. „Und es dürfen gerne mehr werden, die rund vier Stunden an einem Nachmittag pro Woche Zeit haben“, so Schyboll. Vor etwa zwei Jahren haben sich außerdem zwei Frauen in einer einjährigen Qualifikation zu Kindertrauerbegleiterinnen ausbilden lassen.

Ein Clown wird am Tag der offenen Tür für Unterhaltung sorgen.
Ein Clown wird am Tag der offenen Tür für Unterhaltung sorgen. © Kinderhospizdienst Ruhrgebiet

Eine von ihnen ist Elke Meister (60). Die Erzieherin, die im Offenen Ganztag der Crengeldanzschule tätig ist, liebt die intensive Arbeit mit Kindern: „Für sie da sein und ihnen helfen zu können, das ist ein gutes Gefühl.“ Zuletzt hat sie im Haus des Vereins mit den Kindern, die einen nahen Angehörigen verloren haben, einen Irrgarten gestaltet. Oder „Trauerklöße“ gekocht, aus denen dann aber schnell „Fröhlichkeitsklöße“ wurden.

„Ja, wir sind Spezialisten für verrückte Sachen und besondere Momente“, sagt Birgit Schyboll. Sie meint damit auch die Erfüllung von Herzenswünschen – und hat es mal geschafft, zwei Wochen vor einem DFB-Pokal-Endspiel noch Karten für die Kinder zu besorgen.

>> TAG DER OFFENEN TÜR

Zum Tag der Kinderhospizarbeit (10. Februar) veranstaltet der Verein von 15 bis 17.30 Uhr einen Tag der offenen Tür in seinem Haus, Am Herbeder Sportplatz 17. Interessierte sind eingeladen, zu schauen und zu fragen. Weitere Info: 277719.

Gezeigt wird der Film „Leben leben“. Darin geht es um Heike, die der Verein neun Jahre begleitet hat. Sie ist vor drei Jahren gestorben. Da war sie 17. „Du weißt doch, dass ich berühmt werden möchte“, hatte sie anlässlich des Films zu Birgit Schyboll gesagt.