Witten/Hattingen. Pfarrerin Julia Holtz hat mit ihrer Aufgabe als Superintendentin begonnen. Sie hat sich für die Zukunft des Ev. Kirchenkreises viel vorgenommen.
Auf zu neuen Ufern: Am Sonntag wurde Pfarrerin Julia Holtz in der Wittener Johannisgemeinde verabschiedet und von ihren Aufgaben entbunden. Das Geschehen dort verfolgt die 54-Jährige zwar weiterhin aufmerksam – dann allerdings in neuer Position: Julia Holtz wurde zur Superintendentin, also quasi zur Chefin des Evangelischen Kirchenkreises Hattingen-Witten gewählt. Für ihre neue Aufgabe hat sie sich einiges vorgenommen. Wir sprachen mit ihr über ihre Pläne.
21 Jahre lang waren Sie in der Johannisgemeinde. Was hat Sie nun bewogen, sich als Superintendentin zu bewerben?
Julia Holtz: Ja, ich habe in der Tat langjährige Gemeindeerfahrung und in dieser Zeit hoffentlich auch vieles bewegt. Aber nun habe ich Lust auf Veränderung, Lust dazu, auf einer größeren Ebene die Zukunft der Kirche zu gestalten.
Bedeutet der Wechsel nicht auch weg von der praktischen Arbeit, hin zur Organisation?
Holtz: Ja, ich habe weniger klassische Gemeindetätigkeiten wie Taufen und Trauungen. Gottesdienste hingegen werde ich auch weiterhin halten und darauf freue ich mich. Ansonsten werde ich mehr führen und gestalten. Es ist mir ein Anliegen, meine Wünsche für die Kirche der Zukunft, wie ich sie mir vorstelle, umzusetzen.
Was muss sich ändern?
Holtz: Geschichtlich ist unsere Kirche sehr von Vereinsstrukturen in kleinen Einheiten geprägt, von Behördendenken und der Frage nach Zuständigkeiten. Das hatte seinen Sinn und seine Berechtigung, denken Sie an Tauf- und Sterberegister. Aber inzwischen hat sich die Gesellschaft verändert, sie ist gut durchstrukturiert.
Kirche muss heute viele dieser Ordnungsaufgaben nicht mehr übernehmen. Stattdessen sollten wir uns darauf konzentrieren, wieder als Botschafter Christi erkennbar zu sein. Die Frage muss lauten: Wie können wir als Kirche in der Gesellschaft stärker sichtbar sein?
Was heißt das ganz praktisch?
Holtz: Wir sollten bereit sein, darüber nachzudenken, ob nicht manches der flächendeckenden Angebote reduziert werden kann. Muss beispielsweise wirklich in jeder Gemeinde sonntags um zehn Uhr ein Gottesdienst mit Orgelmusik sein? Ich liebe diese Gottesdienste. Aber wir müssen uns fragen, wie wir die Menschen erreichen, was sie interessiert, wozu sie kommen wollen. Nicht jede Gemeinde muss alles anbieten. Wo gibt es Möglichkeiten zu kooperieren und sich so auch zu profilieren? So können Freiräume entstehen. Es gibt da tolle Ansätze etwa bei der Creativen Kirche und der neuen Popakademie.
Was bereitet Ihnen Sorge, wenn Sie auf die kommenden Jahre blicken?
Holtz: Die Zukunft des Kirchenkreises wird sicher nicht einfach. Die Pfarrer sind fast alle 50 Jahre und älter. Da kommt bis 2030 eine Pensonierungswelle sondergleichen auf uns zu und damit ein gewaltiger Umbruch.
Zwischen Gütersloh und Palästina im Einsatz
Julia Holtz, geb. 1962, hat in Bethel, Marburg und Münster studiert. Dem Vikariat in Gütersloh und „Dienst an Schulen“ sowie dem Einsatz in Palästina folgte der Entsendungsdienst in der Arbeitsstelle für Gottesdienst und Kirchenmusik.
Sie ist mit einem Pfarrer verheiratet und hat einen Sohn.
Gleichzeitig ist die Zahl der nachwachsenden Theologen klein. Das müssen wir uns bewusst machen – und uns bemühen, frei werdende Pfarrstellen mit jüngeren Kollegen zu besetzen.
Und worauf freuen Sie sich?
Holtz: Ich freue mich auf die Arbeit mit den Kolleginnen und Kollegen, darauf, den Kirchenkreis weiterzuentwickeln. Ich habe mit Sabine Grünschläger-Brenneke und Ute Wendel zwei wunderbare Kolleginnen an meiner Seite. Auf der anderen Seite macht mich das ein bisschen wehmütig. Auch in Johannis hatten wir ein tolles Team und ich war ein Teil davon. Jetzt bin ich Chefin – das ist ein ganz anderes Gefühl. Auch anders, als ich es mit vorgestellt hatte.
Das neue Gefühl als Chefin heißt was zum Beispiel?
Holtz: Schon dass jemand für mich ans Telefon geht, ist noch völlig ungewohnt. Als Pfarrerin packt man immer und überall mit an und jetzt wird mir plötzlich sogar die gebrauchte Kaffeetasse aus der Hand genommen. Diese Rolle muss ich für mich erst einmal annehmen.
Wenn Sie zurückdenken an die Zeit in der Johannisgemeinde: Woran erinnern Sie sich besonders gern?
Holtz: Ach, wir hatten so viele tolle Projekte. Die Show mit Lichtkunst zum Stadtjubiläum 2014 fällt mir da spontan ein, das war sehr schön. Und ein Tauffest an der Ruhr, und, und... Es gab so viele Höhepunkte.
Und als Superintendentin starten sie jetzt im Lutherjahr. Was bedeutet Ihnen das?
Holtz: Wir haben doch längst damit angefangen, wir „luthern“ doch schon kräftig. Ich erinnere mich gerne an den Eröffnungsgottesdienst zum Lutherjahr am Reformationstag, bei dem der katholische Kollege Friedrich Barkey mitgewirkt hat, sehr nett und wertschätzend. Das war ein tolles Signal. In diesem Jahr freue ich mich darauf, dass wir das Luther-Oratorium nach Witten bekommen. Das wird toll! Auch wenn unsere Version nicht ganz so groß wird wie bei der Premiere in der Westfalenhalle: Das wird sicher eindrucksvoll.
Wenn Sie beim Jobwechsel jetzt einmal innehalten – Hand aufs Herz: Würden sie, wenn Sie noch einmal jung wären, wieder Pfarrerin werden?
Holtz: Ja, sofort wieder. Vielleicht würde ich beim Studium etwas anders machen, wahrscheinlich mehr in die Breite studieren.
Keine Zweifel – trotz Mitgliederschwunds und klammer Kassen?
Holtz: Nein, gar nicht. Die Kirche braucht ja Menschen, die sich einsetzen.Jeder, der es macht, ist einer mehr.