Witten. . Nie war soviel Wandel beim Handel: Etliche Geschäfte auf der oberen Bahnhofstraße machen dicht. Es gibt aber Nachfolger, etwa „Camp David“.

  • In der oberen Bahnhofstraße stehen gerade viele Läden leer oder ziehen um
  • Einige Nachfolger gibt es schon: Für Esprit, Wülbern oder den Süßwaren-Laden
  • Weil die Kaufkraft fehlt, hat sich die Lage für viele Einzelhändler in Witten verschlechtert

Handel ist Wandel. Doch selten hat sich das Ladenkarussell so heftig gedreht wie in diesen Wochen. Selbst in der 1a-Lage auf der oberen Bahnhofstraße schließen etliche Läden oder ziehen um. Immerhin gibt es für viele Geschäfte schon Nachfolger.

Nicht nur der Blick auf die vielen mit dem Schriftzug „Totaler Räumungsverkauf“ verklebten Schaufenster ernüchtert. Auch die Stimmung ist ziemlich kühl. Helga Krüger, Besitzerin des gleichnamigen Hauses, aus dem die Mayersche Buchhandlung bald ausziehen will, sagt: „Von ganz vielen Immobilienmaklern höre ich: Witten ist für uns kein Standort mehr.“

Ähnlich hart argumentiert Knut Pauli, Sprecher der Backwerk-Kette, die ebenfalls ein Geschäft in der Bahnhofstraße aufgibt. „Witten ist insgesamt als Standort rückläufig. Wenn die Kundenfrequenz nicht stimmt, wird ein Ladenlokal geschlossen.“

Das Modegeschäft Esprit zieht runter in der Stadtgalerie.
Das Modegeschäft Esprit zieht runter in der Stadtgalerie. © Jürgen Theobald

Hat die Abwärtsspirale der unteren Bahnhofstraße mit ihren vielen Billigläden und leeren Schaufenstern auch den oberen Straßenteil erfasst? Wolf Spittler, der als langjähriger Geschäftsmann (Juwelier Gerling) den Handel schon lange beobachtet, ist wenig beunruhigt. „Es ist nicht schlechter, es ist anders. Diese hohe Fluktuation findet man in jeder Stadt, nicht nur in Witten. Ich sehe in der oberen Bahnhofstraße kaum Leerstände: Diese Geschäfte werden eine Nachfolge finden.“

Camp David zieht ins Süßkram-Outlet

Tatsächlich gibt es bereits Nachfolger für Betten Hugo Wülbern (Schlafexperten Gebers), Esprit (Mayersche Buchhandlung), das Süßigkeiten-Outlet (Männermode „Camp David“).

Auch beim vielleicht größten Sorgenkind, dem Krüger-Haus, macht die Eigentümerin „positive Tendenzen“ aus. Eine Lösung sei in Sicht, aber noch nicht spruchreif. Schließlich laufe der Mietvertrag mit der Mayerschen noch bis Dezember 2017.

Trotzdem bleibt Ernüchterung. „Wir hatten uns von der Bahnhofstraße mehr erhofft“, sagt etwa Monika Schemmann, die nach drei Jahren ihr Schmuckgeschäft Pippi-Lotta schließt und zurück auf die Ruhrstraße geht. „Auf der Bahnhofstraße sehe ich viele Menschen, die gucken, aber kaufen nicht.“ Umsatz und Miete würden bei ihr in keinem Verhältnis stehen, „die Zahlen stimmen nicht“.

Statt Süßkram gibt’s hier bald Männermode von Camp David.
Statt Süßkram gibt’s hier bald Männermode von Camp David. © Jürgen Theobald (theo)

„Das ist augenblicklich eine Phase, die nicht nur Witten betrifft. In vielen Städten ähnlicher Größe hat der Einzelhandel Probleme“, sagt Karl Dieter Hoeper, Vorsitzender der Standortgemeinschaft. Er gibt zu bedenken, dass es immer schon Leerstände gab. „Wie lange stand Sinn Leffers leer?“

Helga Krüger sieht dringenden Handlungsbedarf. Sie wünscht sich, dass die Stadtoberen härter durchgreifen. „Nehmen Sie den Ratskeller. Der ist so lange dicht, die Stadt kassiert bloß die Miete von Getränke Kuypers“, sagt sie. „So ein Lokal darf nicht leer stehen, da sehe ich die Immobilienbesitzer in der Verantwortung.“

Ein Überblick: Was sich wo ändert

Endspurt bei Betten Hugo Wülbern. Seit dem Sommer macht das Traditionsgeschäft Ausverkauf und schließt Ende Februar. Es folgt mit „Gebers. Die Schlafexperten“ ein Händler mit ähnlichem Sortiment. 33 Filialen hat die Gebers Gruppe aktuell, ist aber auf Expansionskurs. Eine Filiale gibt es zum Beispiel im Ruhrpark.

Die Mayersche Buchhandlung verkleinert sich erheblich. Im Frühjahr 2017 will die Filiale im aktuellen Esprit-Store neu eröffnen. Die Ladenfläche wird dabei von rund 1300 auf 500 Quadratmeter reduziert, der Namenszug C.L. Krüger zieht übrigens mit um. Das Sortiment, so das Aachener Unternehmen, bleibe gleich – Schreibwaren, Spielwaren, Geschenkartikel inklusive.

Esprit lockt aktuell mit Rabatten bis zu 70 Prozent – denn Ende Januar ist an der oberen Bahnhofstraße Schluss. Das Modegeschäft wechselt in die Stadtgalerie und wird sich deutlich verkleinern. Es zieht neben S.Oliver in ein Ladenlokal im Erdgeschoss, in dem – natürlich – „totaler Räumungsverkauf“ herrscht.

Das Süßigkeiten Outlet hat bereits „geschossen“ – so lustig verkündet ein Zettel im Schaufenster die Nachricht. Als Nachfolge zieht im Laufe diesen Monats die Modemarke Camp David nach, das bestätigt eine Mitarbeiterin des Unternehmens Clinton Großhandels-Gmbh. Camp David verbinden die meisten mit den bunt bedruckten Hemden und Poloshirts à la Dieter Bohlen oder Thomas Helmer.

Was ist mit dem Schmuckgeschäft Pippi Lotta? Zum 31. Januar schließt Monika Schemmann das architektonisch tolle Ladenlokal neben Keudel. Erst vor drei Jahren war sie von der Ruhr- an die Bahnhofstraße gezogen, die erhoffte Umsatzsteigerung ließ aber auf sich warten. „Ich hatte mir mehr versprochen.“ Im März – zum Weltfrauentag – wird Schemmann in einem frisch renovierten Ladenlokal neu eröffnen, dem einstigen Blumengeschäft „Fleurie“, Ruhrstraße 26. „Klein, aber fein“, sagt sie. Dass man wieder vor der Tür parken kann, werde ihr hoffentlich wieder mehr Kunden bescheren.

Die Backwerk-Filiale nahe dem Berliner Platz ist geschlossen, eine Nachfolge nicht in Sicht. Die Filiale an der Ecke Bahnhofstraße/Rathausplatz bleibt – so lange die Kundenfrequenz stimme, sagt Unternehmenssprecher Knut Pauli. Der Punkt: Sein Betrieb lebe weniger vom Brotverkauf als vom Absatz belegter Brötchen und frischer Snacks. Deren Verweildauer im Geschäft müsse kurz sein, damit die Qualität stimme. Auch wenn der Laden gut besucht erschien – „er erbrachte nicht die erforderliche Frequenz“, sagt Pauli.

Statt Taifun-Mode gibt’s hier Kunst zu sehen.
Statt Taifun-Mode gibt’s hier Kunst zu sehen. © Jürgen Theobald (theo)

Auch das Modegeschäft Taifun gibt es nicht mehr. In leeren Ladenlokal stellt übergangsweise der Künstler Reinhold Spratte seine Bilder aus. „Between the times“ heißt seine Ausstellung, die ihm Hausbesitzerin Helga Krüger vorschlug. „Damit es nicht so kahl aussieht.“

Auch für die bald leer stehenden Schaufenster der Mayerschen „werde ich mir was Schönes ausdenken“, verspricht sie. Eine Neuvermietung ist für Oktober 2017 geplant, damit dem neuen Wittener Geschäftsleuten nicht das Weihnachtsgeschäft entgeht.

Das Schuhgeschäft Klauser hat geschlossen und wird bald renoviert.
Das Schuhgeschäft Klauser hat geschlossen und wird bald renoviert. © Jürgen Theobald (theo)

Und noch ein Laden ist dicht: Schuhe Klauser am Berliner Platz ist dicht. Die Räume sollen vor einer Neuvermietung erst renoviert werden. Die Mitarbeiterinnen sind auf andere Klauser-Filialen verteilt worden, bestätigt eine Verkäuferin der verbleibenden Filiale ein paar Meter weiter oben. Ihr Geschäft ist voll, die Kasse klingelt. Auch sie hat die Preise kräftig reduziert. Es ist aber kein Geschäfts-Aus, nur das klassische Saison-Ende.