Seit der großen Flüchtlingswelle 2015 sind die Menschen aus Syrien, Afghanistan oder Afrika in aller Munde. Deutschland diskutiert – teils sachlich, teils populistisch. Der Wittener Jörg Ennuschat ist Jura-Professor an der Bochumer Ruhr-Universität. Schon mehrfach hielt der 51-Jährige in Witten Vorträge zum Thema Asyl- und Ausländerrecht. Unser Mitarbeiter Philip Raillon sprach mit ihm über das Recht, das hinter den geflüchteten Menschen und den Asylverfahren steckt. Herr Professor Ennuschat, was sind Flüchtlinge denn überhaupt im rechtlichen Sinne? Ennuschat: Man muss da zwischen dem verschiedenen Schutzstatus unterscheiden. Die Genfer Flüchtlingskonvention der Vereinten Nationen schützt etwa die, die in ihrem Heimatland verfolgt werden, zum Beispiel wegen ihrer ethnischen Herkunft oder Religion. Das Grundgesetz schützt das Recht auf Asyl. Der grundgesetzliche Schutz ist aber enger als der Flüchtlingsschutz nach der UN-Konvention. So verlangt das Grundgesetz eine Verfolgung durch den Staat, während die Flüchtlingskonvention auch die Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure genügen lässt. Außerdem entfällt der grundgesetzliche Asylanspruch, wenn der Flüchtling aus einem sicheren Staat nach Deutschland einreist. Viele Flüchtinge etwa aus Syrien genießen gegenwärtig weder den Schutz nach der UN-Flüchtlingskonvention noch nach dem deutschen Grundgesetz. Was bleibt? Der subsidiäre Schutz, den das europäische Recht vorsieht. Der kommt jedem zu, der mangels Verfolgung zwar nicht unter die beiden anderen Status fällt, dem im Herkunftsland aber ernsthafter Schaden für Leib und Leben droht, zum Beispiel Todesstrafe, Folter oder Bürgerkrieg. Der subsidiäre Schutz reicht allerdings nicht so weit wie der Flüchtlingsschutz. Das betrifft vor allem den Familiennachzug: Wer nur subsidiär geschützt wird, kann erst nach zwei Jahren Familiennachzug beantragen. Was hat es denn mit den Klagen auf sich, die momentan viele Flüchtlinge erheben? Es gab und gibt zwei Klagewellen. Nachdem die Flüchtlinge in Deutschland angekommen sind, müssen sie lange warten, bis sie ihren eigentlichen Antrag auf Asyl stellen können. Manche wollen diese Wartezeit abkürzen, indem sie Klage erheben, dass ihr Verfahren zügig beschieden wird. Das ist in gewisser Weise verständlich. Denn der Schwebezustand belastet sicherlich sehr. Wenn sich aber Einzelne für ein zügiges Verfahren erfolgreich einklagen, führt dies womöglich dazu, dass andere länger warten müssen.
Seit der großen Flüchtlingswelle 2015 sind die Menschen aus Syrien, Afghanistan oder Afrika in aller Munde. Deutschland diskutiert – teils sachlich, teils populistisch. Der Wittener Jörg Ennuschat ist Jura-Professor an der Bochumer Ruhr-Universität. Schon mehrfach hielt der 51-Jährige in Witten Vorträge zum Thema Asyl- und Ausländerrecht. Unser Mitarbeiter Philip Raillon sprach mit ihm über das Recht, das hinter den geflüchteten Menschen und den Asylverfahren steckt.
Herr Professor Ennuschat, was sind Flüchtlinge denn überhaupt im rechtlichen Sinne?
Ennuschat: Man muss da zwischen dem verschiedenen Schutzstatus unterscheiden. Die Genfer Flüchtlingskonvention der Vereinten Nationen schützt etwa die, die in ihrem Heimatland verfolgt werden, zum Beispiel wegen ihrer ethnischen Herkunft oder Religion. Das Grundgesetz schützt das Recht auf Asyl. Der grundgesetzliche Schutz ist aber enger als der Flüchtlingsschutz nach der UN-Konvention. So verlangt das Grundgesetz eine Verfolgung durch den Staat, während die Flüchtlingskonvention auch die Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure genügen lässt. Außerdem entfällt der grundgesetzliche Asylanspruch, wenn der Flüchtling aus einem sicheren Staat nach Deutschland einreist.
Viele Flüchtinge etwa aus Syrien genießen gegenwärtig weder den Schutz nach der UN-Flüchtlingskonvention noch nach dem deutschen Grundgesetz. Was bleibt?
Der subsidiäre Schutz, den das europäische Recht vorsieht. Der kommt jedem zu, der mangels Verfolgung zwar nicht unter die beiden anderen Status fällt, dem im Herkunftsland aber ernsthafter Schaden für Leib und Leben droht, zum Beispiel Todesstrafe, Folter oder Bürgerkrieg. Der subsidiäre Schutz reicht allerdings nicht so weit wie der Flüchtlingsschutz. Das betrifft vor allem den Familiennachzug: Wer nur subsidiär geschützt wird, kann erst nach zwei Jahren Familiennachzug beantragen.
Was hat es denn mit den Klagen auf sich, die momentan viele Flüchtlinge erheben?
Es gab und gibt zwei Klagewellen. Nachdem die Flüchtlinge in Deutschland angekommen sind, müssen sie lange warten, bis sie ihren eigentlichen Antrag auf Asyl stellen können. Manche wollen diese Wartezeit abkürzen, indem sie Klage erheben, dass ihr Verfahren zügig beschieden wird. Das ist in gewisser Weise verständlich. Denn der Schwebezustand belastet sicherlich sehr. Wenn sich aber Einzelne für ein zügiges Verfahren erfolgreich einklagen, führt dies womöglich dazu, dass andere länger warten müssen.
Und die zweite Klagewelle?
Viele Flüchtlinge aus Syrien haben nur subsidiären Schutz erhalten, möchten aber UN-Flüchtlingsschutz, um schneller eine dauerhafte Bleibeperspektive zu erhalten und um schneller ihre Familie nachholen zu können. Einige Klagen waren erfolgreich. So haben etwa die Verwaltungsgerichte Düsseldorf und Münster entschieden, dass allein der Umstand der Flucht aus Syrien dazu führt, dass diese Flüchtlinge bei einer Rückkehr nach Syrien vom dortigen Regime als vermeintliche Oppositionelle verfolgt würden. Die Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte in NRW – und in Deutschland – ist jedoch noch uneinheitlich.
Ende November waren 32 000 dieser Verfahren an Verwaltungsgerichten anhängig. Wann wird es eine klare Linie geben?
Erst dann, wenn diese Rechtsfragen höchstrichterlich (Anm. der Redaktion: Von einem Bundesgericht) entschieden werden. Das kann dauern. Ich verstehe die Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts NRW eher dahingehend, dass Flüchtlinge aus Syrien nicht automatisch einen Anspruch auf UN-Flüchtlingsschutz haben, dass es vielmehr oft beim subsidiären Schutz bleiben wird. Ähnlich hat dies vor kurzem das Oberverwaltungsgericht Schleswig-Holstein gesehen.