Witten. . Vier Pflegekinder – Gisela und Michael lieben sie, haben den Mädchen und Jungen ein Zuhause gegeben. Die Stadt sucht weitere Paare wie sie.
- Gisela und Michael haben zwei erwachsene Kinder und kümmern sich um vier Pflegekinder
- Die beiden 56-Jährigen lieben ihre große Familie, die ihnen anvertrauten Mädchen und Jungen
- Die Pflegeeltern hatten selbst viele Geschwister und finden, dass Kinder jung halten
Sie heißen Gisela und Michael und sind beide 56. Wo genau sie in Witten leben, wie ihre vier Pflegekinder heißen, darf nicht geschrieben werden. Fotos von den Mädchen und Jungen sind tabu. Es dient ihrem Schutz. Ansonsten hätten ihre Pflegeeltern nicht darüber gesprochen, warum es ihnen eine Herzenssache ist, fremde Kinder bei sich aufzunehmen und ihnen ein liebevolles Zuhause zu schenken.
Gisela und Michaels Pflegekinder sind keine Waisen. Sie haben Eltern, bei denen sie nicht leben können, weil diese gesundheitliche Probleme haben oder es andere ernste Schwierigkeiten in den Familien gibt. Vor acht Jahren haben sich die Wittener, die zwei erwachsene eigene Kinder haben, entschlossen, einen siebenjährigen Jungen, nennen wir ihn Lars, bei sich aufzunehmen.
„Wir hätten nicht unsere eigene Familie riskiert“
Gisela erzählt, dass eine Freundin, die in einer anderen Stadt beim Jugendamt arbeitet, sie danach gefragt hat. Ihr Mann Michael ergänzt, dass dies damals eine Familien-Entscheidung gewesen sei. „Unser Sohn Thorben war 15, unsere Tochter lebte schon nicht mehr bei uns.“ Beide hätten zugestimmt, ansonsten hätten sich die Eltern auch gegen eine Pflegschaft entschieden. „Denn wir hätten nicht unsere eigene Familie riskiert.“
Lars war vorher schon in anderen Pflegefamilien, auch in einem Heim. Zwischen Gisela und dem kleinen Jungen funkte es, als sie ihm einen Überschlag an einer Turnstange vormachte und ihn aufforderte, es doch auch einmal zu probieren. Giselas Sohn Thorben konnte sehr gut mit der neuen Familiensituation umgehen. „Weil er der große Bruder war.“ Nach gut einem halben Jahr sei alles „rund gelaufen“. Gisela: „Und wir trauten uns zu, noch weitere Pflegekinder zu nehmen.“
„Zu ihren Eltern haben wir ein Vertrauensverhältnis“
Vor drei Jahren kamen zwei Mädchen zu ihnen, Geschwister, damals vier und sechs Jahre alt. Die beiden sollten und wollten auf jeden Fall zusammenbleiben. „Zu ihren Eltern haben wir heute ein Vertrauensverhältnis. Das hat sich über die Jahre entwickelt. Sie haben gemerkt, dass wir ihnen nichts wegnehmen, dass wir alles für die Mädchen tun“, sagt Gisela. Und dass das Verhältnis zwischen den Erwachsenen gut sei, sei auch für die Geschwister sehr wichtig, die ihre leiblichen Eltern regelmäßig sehen. Was die Pflegeeltern freut: „Beide Mädchen gehen ihren Weg.“
Auch Pflegesohn Lars und die Mädchen verstehen sich gut. „Da ist er jetzt der große Bruder!“ Die ersten vier bis sechs Wochen zu fünft seien schwierig gewesen. „Das ist aber ganz normal. Die Kinder müssen sich orientieren, fragen sich am Anfang: Was geschieht mit mir?“ Die Pflegeeltern verreisten mit ihnen nach Thüringen. „Das hat ihnen den Übergang erleichtert.“
„Auch wir Eltern können mit Kritik umgehen“
Im Juli diesen Jahres kam das vierte Pflegekind ins Haus. Der Junge hatte zu Anfang Probleme, war plötzlich Mitglied einer neuen und großen Familie. Gisela, Michael und ihre Kinder haben ein allabendliches Ritual. „Wir setzen uns zusammen. Jeder kann sagen, was er gut und was er schlecht fand am Tag. Da werden auch deutliche Worte gesprochen“, erzählt Gisela. Keiner falle dem anderen ins Wort, jeder lasse den anderen ausreden. „Auch wir Eltern können mit Kritik umgehen“, fügt sie schmunzelnd hinzu.
Denn sie und ihr Mann wollen die ihnen anvertrauten Kinder zu selbstständigen Menschen, zu Offenheit und Ehrlichkeit erziehen. „Und unsere abendliche Rederunde zeigt ihnen: Ich bin wichtig, ich werde ernst genommen.“ Pflegemutter Gisela kommt selbst aus einer Familie mit elf Geschwistern, ihr Mann hat fünf. Beide lieben ihre eigene große Familie, finden, dass Kinder einen jung halten, und können sich auch vorstellen, noch sehr viele Jahre Pflegeeltern zu sein.
„Die leiblichen Eltern sind nicht außen vor“
Was Gisela Klotz vom Amt für Jugendhilfe und Schule sehr freut. Die Gruppenleiterin des städtischen Kinderpflegedienstes sucht weitere Pflegeeltern in Witten. Das Herausnehmen von Kindern aus ihren Familien ist eine letzte Option, wenn zuvor andere Hilfsangebote der Stadt versagt haben. Aber es gebe auch Eltern, die von sich aus beim Amt um Hilfe nachsuchten, so Klotz. „Weil sie erkennen, dass sie in einer Notsituation sind und mit dem Jugendamt nach einer Lösung suchen möchten.“
Was Gisela Klotz wichtig ist: „Die leiblichen Eltern sind nicht außen vor, wenn Kinder in Pflegefamilien kommen. In der Regel werden sie miteinbezogen.“ Wo es möglich sei, gebe es Besuchskontakte. „Die Eltern treffen sich mit ihren Kindern und den Pflegeeltern.“ Natürlich gebe es auch Eltern, die sich von ihren Kindern verabschiedet hätten. „Aber es gibt auch welche, die gut mitarbeiten, die sehen, dass es ihren Kindern bei Pflegeeltern gutgeht.“
>>>STADT WITTEN SUCHT PFLEGEFAMILIEN
Derzeit werden in Witten fast 180 Kinder und Jugendliche in Pflegefamilien betreut, die aus schwerwiegenden Gründen nicht in ihren Elternhäusern leben können. Der städtische Pflegekinderdienst ist bemüht, auch diesen Kindern das Heranwachsen in familiärer Geborgenheit zu ermöglichen und sucht deshalb immer wieder neue Familien, die bereit sind, ein Kind bei sich daheim aufzunehmen.
Den Unterhalt des Kindes deckt die Stadt durch ein „Pflegegeld“ ab. Familien, die Interesse an einer solchen Aufgabe haben, können sich im neuen Jahr unter den Rufnummern 02302/581 5180 und 02302/ 581 5324 beim Amt für Jugendhilfe und Schule melden, auch über die E-Mail: gisela.klotz@stadt-witten.de.