Witten. . Eine Dortmunder Gruppe fertigt winzige Garderobe für Frühchen. Auch das Marien-Hospital Witten wird beliefert – und ist mehr als dankbar dafür.
- Eine Dortmunder Gruppe fertigt Garderobe für extreme Frühchen und beliefert auch das Marien-Hospital
- Die Wittener Klinik ist mehr als dankbar dafür: „Eine unglaubliche Bereicherung“, sagt Schwester Anni
- Jetzt werden neue Mit-Näherinnen gesucht, auch ein Treff in Witten wäre möglich
Die Hemdchen sind so klein, dass sie bequem in einer Hand Platz finden, die Strampler sehen aus, als wären sie für Puppen gemacht. Sind sie aber nicht: Genäht worden sind sie für Frühchen und Sternchen – also Früh- und Totgeburten. Für Kinder, die ums Überleben kämpfen. Für Kinder, für die es in den Geschäften praktisch nichts zum Anziehen gibt – und die es doch ganz dringend brauchen.
Der Verein Herzenssache ist es, der sich für diese Sache stark macht. Bundesweit treffen sich regelmäßig Gruppen, um für die Babys zu nähen. 40 Kliniken im ganzen Land werden mit den Handarbeiten versorgt, eine davon ist das Marien-Hospital in Witten. Dafür gesorgt hat Bianka Holtkotte, die die Nähgruppe in Dortmund vor einiger Zeit auf die Beine gestellt und dann Kontakt zu den Krankenhäusern aufgenommen hat.
Die Nadeln glühen bis spät am Abend
Über Facebook hatte die 39-Jährige von der Aktion erfahren, die sie gleich begeistert hat. „Ich habe einen gesunden Sohn, hatte eine unkomplizierte Schwangerschaft – dafür bin ich dankbar“, sagt die Dortmunderin. Aber sie wisse, dass es auch anders laufen könne. All denen, denen es nicht so gut ergangen ist, wolle sie ein bisschen von ihrer Dankbarkeit zurückgeben.
Aus dem Bisschen ist inzwischen eine große Aktion geworden: Alle zwei Monate treffen sich die Näherinnen rund um Bianka Holtkotte in Dortmund, um neue Garderobe zu nähen. Rund 20 Frauen kommen in der Regel dazu. Vom Mittag bis in den späten Abend rattern dann die Maschinen, glühen dann die Nadeln. Martina macht aus Brautkleidern aufwändige Aufleger für Nottaufen, Anya sitzt an einem winzigen Bündchen und Ulrike schneidet den ganzen Nachmittag die Stoffe zu. „Ich kann nicht nähen, möchte aber helfen. Denn das Helfen macht einfach Freude“, sagt sie.
Eltern sind mit der Situation oft völlig überfordert
Freude macht es auch den Beschenkten: „Unsagbare Dankbarkeit“ bekomme sie von den Eltern zurück, erzählt Bianka Holtkotte. Denn die seien mit der Situation oft völlig hilflos und überfordert: Das Kind ist viel zu früh gekommen, liegt in der Klinik – da hat niemand Muße, shoppen zu gehen.
Und von der Stange gibt es praktisch eh nichts: Bei Größe 50 fängt das Standardsortiment in der Regel an. „Mit etwas Glück bekommt man schon etwas in 44 – aber wir haben Schnittmuster ab Größe 32“, so die Dortmunderin. Schnittmuster für Hosen, Hemdchen, für Bodys und Strampler, für Schühchen und Pucksäcke. Alles wird aus weichen, fröhlichen Stoffen genäht, an den Seiten bleiben die Nähte ein Stück weit offen. „Damit die medizinischen Zugänge gelegt werden können.“
Verzierte „Abschiedsboote“ für Totgeburten
Aber nicht alle gewinnen den Kampf um ihr Leben, um darum gibt es auch das beim Verein Herzenssache: Winzige Einschlagtücher mit Kapuze für Totgeburten, nicht größer als eine Packung Papiertaschentücher und Abschiedsboote: Hübsch verzierte Stoffkörbchen, in denen die Kinder auch bestattet werden können. „Aus dem gleichen Stoff nähen wir für die Eltern ein Andenken – einen Stern, ein Herz, einen Engel.“
Bianka Holtkotte erklärt, warum die Garderobe für Frühchen mehr ist als ein modisches Accessoire: „Die Babys sehen damit gleich viel größer und gesünder aus – das nimmt den Eltern gleich einen Teil ihrer Berührungsängste.“ Und für die Babys sei das wichtig, versichert Kinderkrankenschwester Anni Dreßler: „Sie nehmen die Struktur der Stoffe wahr, das Kuschelige, die Wärme.“
„Unglaublich und grandios“
Die 33-Jährige Schwester aus dem Marienhospital ist zum letzten Nähtreffen nach Dortmund gekommen, um einen Schwung neuer Garderobe abzuholen und sich mit einem großen Korb voller Geschenke bei den Näherinnen zu bedanken. „Es ist so gigantisch, dass ich kaum Worte finde“, sagt sie und kann die Tränen in den Augen kaum verbergen. „Was die Frauen hier für die Kinder tun, die sie gar nicht kennen, das ist unglaublich und grandios – so viel Liebe!“ Das bereichere den Alltag in der Klinik ganz wunderbar.
Und für den Advent haben sich die Näherinnen noch etwas ganz besonderes einfallen lassen: Sie haben Nikolaus-Stiefel gefertigt, die an jedes Inkubatorbett im Marien-Hospital gehängt werden können, gefüllt mit einer Decke, einem Kuscheltier und einem Schutzengel. Den können die Babys brauchen – nicht nur im Advent.
>>> Nächster Näh-Treff ist für Februar geplant
Das nächste Treffen der Nähgruppe findet am Samstag, 4. Februar, ab 13 Uhr im Thomas-Morus-Haus in der Dortmunder Innenstadt, Amalienstraße 21b, statt. Mitnäher – Männer wie Frauen – und alle Helfer sind willkommen. Sollten sich mehrere Interessenten für einen Treff in Witten melden, könnte auch das organisiert werden.
Gesucht werden auch immer Stoffspenden, selbst in kleinen Mengen. Jersey, Fleece, Baumwolle werden gebraucht, fröhliche Stoffe mit kindgerechten Mustern. Totenköpfe sind tabu, schwarz und braun ist auch nicht gern gesehen. Für die Taufaufleger – quasi Taufkleider, die nicht angezogen werden müssen, werden Brautkleider benötigt. Spenderinnen bekommen ein genähtes Andenken aus ihrem Kleid.