Witten. . Tausende Menschen hatten sich auf die Evakuierung Wittens für eine Bombenentschärfung vorbereitet. Gefunden wurde eine Wasserleitung.
- Im Voß’schen Garten wurde am Mittwochvormittag nach einer Fliegerbombe aus dem Zweiten Weltkrieg gesucht
- Mehrere tausend Menschen hatten sich darauf vorbereitet, die Innenstadt für die Entschärfung verlassen zu müssen
- Der Kampfmittelräumdienst fand aber nur die Versorgungsleitung eines einstigen Springbrunnens
Die Bombe platzt um 10.56 Uhr: Im Voß’schen Garten liegt doch kein Blindgänger aus dem Zweiten Weltkrieg. Die Wittener Innenstadt mit bis zu 4000 Menschen muss nicht für eine Entschärfung evakuiert werden. Stattdessen fand der Kampfmittelräumdienst eine eiserne Wasserleitung, die einst den Schmuckteich vor dem ehemaligen Stadtbad befüllte.
Wie berichtet, soll der Spielplatz im Voß’schen Garten mit einem Klettergerüst erweitert werden. Für dessen Betonfundament stellte die Stadt als Bauherr einen Bauantrag, zu dem routinemäßig eine Luftbildauswertung zählt.
Die Fotos aus dem Zweiten Weltkrieg zeigen: einen „Punkt mit schwarzen Stippen“, so Gerhard Pfaff von der Feuerwehr. Das typische Bild einer ins Erdreich eingeschlagenen und nicht detonierten Bombe. Es folgten 36 sieben Meter tiefe Bohrungen, in die man eine Sonde hinablässt. In einem Loch schlug die Sonde an: eine „ferromagnetische Störung im Erdreich“!
Eine ganz normale Baustelle
Eben jene Stelle wurde am Mittwoch ab acht Uhr morgens vorsichtig aufgebaggert. Im Park hatte man den Eindruck, es handelt sich um eine ganz normale Baustelle, an der ein paar Feuerwehrleute und Polizisten herumstehen. Im Hintergrund aber lief ein großer Aufwand.
Bis zehn Uhr waren die 80 Bewohner des Altenheims „Am Voß’schen Garten“ ausgezogen. Der „Stab außergewöhnliche Ereignisse“, mit Leuten von Feuerwehr, Polizei, Ordnungs- und Verkehrsamt, hatte sich an zwei Stellen eingerichtet und plant die Evakuierung – innerhalb von vier Stunden sollten alle Menschen das Umfeld verlassen haben, mit einem Hubschrauber hätte die Polizei das leergezogen Quartier überwacht. Alle warten auf eine Anweisung der beiden Herren vom Kampfmittelräumdienst, Gerd Matthee und Wolfgang Stief.
Zunächst aber wird gebuddelt – bis die Schaufel des kleinen Baggers auf Beton stößt. Es ist ein „Streifenfundament“, ein Unterbau, der im Boden ein oberirdisches Bauwerk absichert. Die Feuerwehr muss mit ihrer Flex ran. Neben dem Fundament liegt ein schmales Eisenrohr, eine Wasserleitung. Beim Versuch, diese mit der Baggerschaufel hochzuheben, zerbricht sie in drei Teile.
Es wird gebuddelt, bis das Loch eine Größe von sechs mal sechs Meter erreicht hat. Doch nachdem die Rohre raus sind, schweigt der Metalldetektor. Will heißen: kein Eisen, also keine Bombe. Die Evakuierung wird abgeblasen. Die Bauarbeiter machen Kaffeepause, dann schütten sie das Loch wieder zu.
Rentner erinnern sich noch an die Fontäne
Ein Wasserrohr? Die vielen Schaulustigen – meist Rentner – können die Nachricht nicht fassen. „Das hätten die doch wissen müssen“, sagt Detlef Wolf (64), der sich noch gut an den Schmuckteich erinnern kann. „Das war ein Becken mit riesiger Fontäne. Der stand am Eingang vom Stadtbad.“ Das Becken war in den 90er Jahren abgerissen worden, weil es undicht war, weiß der einstige Bademeister Fritz Helbert. An dieses Stelle kamen Rasen und eine Skaterbahn, die Versorgungsleitung aber hat man wohl nicht entfernt. Auch Fritz Helbert war in den letzten Tagen klar: Die Bombe hat doch was mit dem Becken zu tun.
Gerhard Pfaff und Gerd Matthee aber erklären: „Die Zuleitung war auf den Bauplänen nicht eingezeichnet.“ Und: die Lage des Metallkörpers in 1,50 Metern Tiefe passte zu dem Verdacht, der sich nach Sichtung der Luftbilder und den Probebohrungen ergeben hätte. Die dabei benutzte Magnetsonde im Übrigen zeige nur an, dass Metall im Boden liegt. Dessen Form könne man nicht nachvollziehen.
Matthee und sein Kollegen packen ihre Sachen zusammen – sie wollen an diesem Tag noch zwei weitere Bomben suchen, eine in Dortmund und eine in Güterloh.
Evakuierung wirkt wie ein Ausflug
„Ruhig, unaufgeregt und gut koordiniert“, so Feuerwehrsprecher Ulli Gehrke, lief die Evakuierung des Altenheims „Am Voß’schen Garten“. Die Boecker Stiftung brachte die 80 Bewohner bis 13 Uhr in ihrem Haus an der Breite Straße unter.
Viele der alten Leute waren ausgesprochen gut gelaunt und empfanden die Evakuierung eher als Ausflug. Der Grund: Sie durften mit Bogestra-Gelenkbussen fahren, offensichtlich ein Highlight. Für die Busse sperrte die Polizei die Ruhrstraße einseitig ab. Rollstuhlfahrer fuhr der ASB mit seinen Spezialautos in die Breite Straße. Dort wartete schon ein Frühstück auf die „Gäste“, es folgte ein „Beschäftigungsprogramm“ und Mittagessen. Der für den Mittagsschlaf eingerichtete Ruhesaal wurde nicht genutzt.
Nächste Bombensuche am 2. Januar
Was der Einsatz kostete, warum gebuddelt wurde und wo steht die nächste mögliche Entschärfung an? Fragen an die Experten.
Was kostet eine solche Aktion und wer zahlt sie?
Es zahlt die Stadt. „Echte Kosten“ gibt es aber kaum, sagt Koordinator Gerhard Pfaff. Das Personal sei sowieso im Einsatz, etwa die bei der Stadt angestellten Feuerwehrleute oder die Kampfmittelräumer der Bezirksregierung. Generell gilt: bei Verdacht zahlt die Kommune, wird die Bombe tatsächlich gefunden, der Eigentümer. Der Spielplatz im Voß’schen Garten gehört der Stadt.
Was wird dort eigentlich gebaut?
Der Spielplatz soll erweitert werden und auch ein Klettergerät für Kinder zwischen 6- und 12-Jahren anbieten – so der Wunsch nach einer Kinderbeteiligung. Geplant sind „Kistentürme“ und eine Freifallrutsche, so Stadtsprecherin Lena Kücük.
Wann gibt es in Witten die nächste Bombensuche?
Auch bei der Planung für die neue Mühlengrabenbrücke am Ruhrdeich sind „ferromagnetische Störungen“ entdeckt worden, so Pfaff. Gebaggert wird am 2. Januar.
Nehmen die Einsätze zur Blindgänger-Entschärfung nicht ab?
Nein, sagt Gerd Matthee vom Kampfmittelräumdienst, sie nehmen zu – weil es mehr Luftbilder gebe und die Bautätigkeit steige. Sein schrägster Fund war bisher statt einer Bombe: ein Zinksarg.