So ein junges Rehkitz mit der Flasche aufzuziehen, das müsste eine schöne Sache sein. Ganz nah an der Natur, Aug' in Aug' mit der Wildnis. Förster Thomas Jansen hat mit der Bambi-Romantik nicht viel am Hut.

„Wenn man ein verwaistes Kitz aufzieht, muss man es alle paar Stunden füttern, auch nachts. Das würde für mich bedeuten, dass ich nicht arbeiten gehen könnte.” Im Frühjahr eröffnen Reh, Hase, Fuchs und Co. ihre Kinderstuben. Und auch in den Vogelnestern stellt sich der Nachwuchs ein. Bald werden die Jungtiere ihre Nasen und Schnäbel zum ersten Mal in den Wind halten. Spaziergänger, die auf scheinbar einsame Tierbabys stoßen, fühlen sich oft für deren Wohlergehen verantwortlich. „Grundsätzlich sollte man gar nichts tun – in den meisten Fällen gibt es die Mama noch, sie ist nur unterwegs”, erklärt Förster Jansen. Auch wenn die Tierchen niedlich sind und es dem Naturfreund in den Fingern juckt, das weiche Fell zu berühren: Anfassen ist nicht erlaubt. Während Fuchs und Kaninchen ihre Jungen in sicherenBauten ablegen, werden Rehkitze und Feldhasen auf freiem Feld zurückgelassen. „Die Ricke legt ihr Kitz irgendwo ab und kommt nur ein paar Mal am Tag vorbei, um es zu säugen.” Noch einsamer geht es bei den Feldhasen zu: Die Jungen werden einzeln in den sogenannten Sassen abgelegt und nur einmal am Tag von der Mutter versorgt. „Das hat auch seinen Sinn. Die Jungtiere haben noch keinen Eigengeruch und können so von Raubtieren nicht gewittert werden. Die Mutter hingegen ist leicht auszumachen.” Junge Eulen verlassen gewöhnlich nach einigen Wochen das Nest und werden zum sogenannten Ästling. Auch außerhalb der Brutstätte werden sie noch von der Mutter versorgt, die sie durch Rufe auf sich aufmerksam machen. Wer einen Ästling an einer gefährlichen Stelle – wie direkt an einer Straße – findet, kann ihn einige Meter zurücksetzen, am besten auf einen höher gelegenen Ast – die Mutter findet ihn und kann ihn dann füttern. Bei aller Vorsicht im Wald: Manchmal ist eindeutig Hilfe nötig. „Ein deutliches Zeichen ist es, wenn sich viele Fliegen ums und auf dem Tier versammelt haben”, erklärt Thorsten Kestner. Er führt in Hattingen eine regionale Wildvogelauffangstation für den EN-Kreis und Umgebung. Der häufigste Notfall sind Entenküken – schon 120 Jungtiere sind in dieser Saison bei ihm abgegeben worden. Enten brüten oft an ungünstigen Stellen, sogar mitten in der Stadt – in Innenhöfen oder auf Flachdach-Kiesdächern. „Das ist jedenfalls fuchssicher”, sagt Kestner und lacht. Von dort aus machen die Tiere sich dann auf den Weg zum Wasser. „Auf gar keinen Fall darf man Küken alleine aussetzen, dann werden sie sofort gefressen. Entweder man bekommt die Mutter mit den Küken und setzt sie gemeinsam aus, oder man gibt verwaiste Küken in Pflege.”