Wessen Leben vom Rhythmus der Musik bestimmt wird, der hat nach 50 Jahren internationaler Solistentätigkeit viel zu erzählen. Zum Beispiel vom Fußballspielen mit einem Weltmeister. Ein Blick auf Professor Jürgen Löchters bewegtes Musikerleben.
Wenn man sein Leben der Musik verschriebt, dann kann man nicht einfach so aufhören, das Instrument zur Seite legen. Auch nicht, wenn man eigentlich schon in Rente sein könnte. Also zieht der Wittener Akkordeon-Virtuose Professor Jürgen Löchter weiter durch die Welt und spielt Kompositionen aus seiner Feder. In diesem Jahr feiert er sein 50-jähriges internationales Solistenjubiläum. Zeit für einen Blick auf ein bewegtes Musikerleben.
Der Startschuss für seine internationale Karriere fiel 1959, als er von Radio Kopenhagen angerufen wurde, erinnert er sich. Danach spielt er in Russland, Amerika, Mexiko, Afrika und in 23 europäischen Ländern. Wenn er so zurückdenkt, dann muss der 69-Jährige ein wenig schmunzeln. Viel hat er erlebt in dieser Reise-Zeit. So wurde er zu einem Staatsempfang ins damalige Dahomey (heute: Benin) eingeladen. Auf dem Flughafen holte ihn dann der Vertreter der deutschen Botschaft ab. „Er fragte mich, woher ich komme”, erzählt Löchter. „Und weil man Witten immer erst erklären muss, sagte ich Dortmund.” Der Botschaftsmitarbeiter meinte daraufhin: „Das ist ja lustig, ich komme aus Witten.” Ich auch, sagte Löchter, und beide lachten.
In der Fußball-Promimannschaft des WDR spielte der Wittener, der gerne auch mal Marathon lief („Bei mir mussten immer die drei Stunden stehen”), an der Seite des Schalker Helden Berni Klodt, Weltmeister Toni Turek und der Wittener Boxlegende Erich Schöppner. Und als er in einer mexikanischen Militärakademie spielte, kam es zu einem denkwürdigen Moment, erinnert er sich: „Auf einmal standen die 2000 Soldaten gleichzeitig auf und sangen zu meinem Abschied ein mexikanisches Lied. Das war schon ergreifend.”
Eigentlich könnte er ein dickes Buch schreiben. Wenn er denn die Zeit dafür hätte. Denn seine Leidenschaft, die neue, zeitgenössische Musik, lässt ihn nicht zur Ruhe kommen. Bewusst hat er sich vor Jahrzehnten gegen die Unterhaltungsmusik entschieden, er wollte neue Akzente setzen. Ende des letzten Jahres war er in Polen, um dort Vorträge zu halten und zu konzertieren, und freute sich über die wunderbaren Möglichkeiten für Musiker dort. In Wuppertal spielte er eigene Kompositionen beim Else-Lasker-Schüler-Forum in Wuppertal. Im Januar zog es ihn nach Kopenhagen, „dahin, wo alles begann”, so Löchter. Am 22. März spielt er um 17 Uhr eigene Werke in der Annener Erlöserkirche, unter anderem „Im Zeitspalt” und „ars moriendi – ars vivendi” mit Texten des Schriftstellers Hugo Ernst Käufer. Und Ende März muss er schon wieder die Koffer packen – für eine Konzert- und Vortragsreise in die Schweiz.
Zu Hause zu bleiben und herumzusitzen, das kommt für Löchter nicht in Frage. Seit er zehn ist, spielt er Akkordeon, hat unzählige nationale und internationale Wettbewerbe gewonnen, war der erste Professor in seinem Fach in Deutschland und wurde vor zwei Jahren als erster Deutscher für sein Lebenswerk mit der Fre´de´ric-Chopin-Medaille ausgezeichnet. Es fehle jemand, der seinen Weg weitergehe als Akkordeonsolist und Komponist, sagt er. „Da kann ich schlecht aufhören.”