Witten. . Zu viel Essbares landet im Müll, findet die Wittener „Foodsharing“-Gruppe. An zwei Stellen in der Stadt kann man Wegwerfware nun mitnehmen.
Das Prinzip des Bücherschranks ist in Witten schon bekannt: Da steht irgendein Behältnis. Wer will, stellt ein durchgelesenes Buch hinein. Wer will, nimmt eines heraus. Jetzt gibt es einen solchen Tauschort auch für Lebensmittel. In einem ausgedienten Fahrradanhänger an der Steinstraße stapeln sich Wirsing, Pilze, Radieschen und Äpfel, die sich jeder mitnehmen kann.
„Wir wollen der Lebensmittelverschwendung vorbeugen. Waren, die sonst weggeworfen werden würden, geben wir weiter“, erklärt Paula Preißler (24), die sich in der Wittener Foodsharing-Gruppe engagiert. In vielen Großstädten hat sich diese Idee bereits durchgesetzt – die Dortmunder zum Beispiel legen Kartoffeln in einen alten Kinderwagen, den „fetten Jupp“.
Der Anhänger heißt „Leckerer Lothar“
Seit Februar arbeiten auch 26 Wittener daran, in der Ruhrstadt Lebensmittel zu retten. Es ist eine bunte Gruppe – aus Studenten, Geschäftsleuten oder einer Krankenschwester. Das Ergebnis ihrer Planungen sind zwei „Fairteiler“ – ein Raum bei den Ruhrtalengeln in Annen (Annenstraße 83) und der Fahrradanhänger namens „Leckerer Lothar“ in der Steinstraße.
Was dort hinein kommt, spenden Privat- und Geschäftsleute. „Bevor ich in den Urlaub fahre, lege ich meine Kartoffeln in den Wagen. Die würden doch schlecht“, sagt Michael Kapmeyer, Inhaber der Stoffgeschäfts „Naturtuche“ in der Steinstraße, vor dessen Geschäft der Wagen angebunden ist.
Die Mitglieder der Gruppe gehen auch sammeln, natürlich mit dem Fahrradanhänger im Schlepptau. So geben zwei Händler des Wochenmarktes unverkauftes Gemüse ab. Die Uni Witten spendiert die Reste eines Caterings, und auch einige Wiesenviertelkneipen machen mit. Bald sollen auch Supermärkte mit ins Boot geholt werden.
Aber ist das denn nicht auch das Prinzip der „Tafel“? Jein, sagt Sebastian Janz (29). „Wir holen auch am Wochenende ab und eher bei kleinen Betrieben.“ Vor allem aber gehe es ihnen darum, Lebensmittel zu retten und den Betrieben zu helfen, Müll zu vermeiden. Am Fairteiler könne sich alle bedienen, während die Tafel für Bedürftige da sei.
Regeln gibt es auch – sie sind auf einem Flyer aufgelistet. Alkohol und Kühlwaren dürfen nicht in den Wagen. „Lothar“ wird nach einem Hygieneplan gereinigt, von verdorbenem Gemüse befreit und abends in eine Garage gestellt. Aber: Rechtlich sei es eine Übergabe „von privat zu privat“. Für schlechte Ware wird keine Haftung übernommen. „Jeder soll mit allen Sinnen beurteilen, ob er etwas nimmt oder nicht“, sagt Paula Preißler. Bei der gestrigen Eröffnung griffen viele Passanten zu, nach anfänglichem Zögern: „Ist das denn wirklich umsonst?“