Witten. . René Sydow hat sich als politischer Kabarettist einen Namen gemacht. Am Freitag (28.10.) steht der Wahl-Wittener auf der Saalbau-Bühne. Bissig!

  • René Sydow, am Bodensee geboren, ist Kabarettist und seit acht Jahren Wahl-Wittener
  • Der 36-Jährige wurde für sein aktuelles Soloprogramm mit dem Deutschen Kabarett-Preis (Förderpreis) geehrt
  • Am Freitagabend (28.10.) ist er damit zwei Stunden lang auf der Saalbau-Bühne zu sehen und zu hören

Er lebt seit acht Jahren in Witten, tourt als Kabarettist durch die deutschsprachigen Länder. Sehr erfolgreich. Vor wenigen Wochen ist René Sydow mit dem Deutschen Kabarett-Preis (Förderpreis) ausgezeichnet worden – für sein aktuelles zweistündiges Soloprogramm „Warnung vor dem Munde!“. Mit diesem ist der 36-Jährige am Freitagabend im Saalbau zu sehen. Das erste dortige „Heimspiel“ Sydows, der nicht nur politisches Kabarett kann, sondern auch als Autor, Filmemacher und Schauspieler sein Geld verdient.

Sie stammen vom Bodensee. Was hat Sie eigentlich ins Ruhrgebiet verschlagen?

Also ich bin auf der Bodensee-Halbinsel Höri aufgewachsen, an der Schweizer Grenze. Mit 20 bin ich nach Stuttgart gegangen, mit 21 Jahren nach Dortmund, um an der dortigen Medienakademie zu studieren. Ich bin Film- und Fernsehwirt. Ich lebe wahnsinnig gerne im Ruhrgebiet. Die Menschen sind toll. Egal woher man kommt, man ist hier willkommen. Meine Frau und ich haben eine sehr schöne Wohnung in Witten. Ich bin eigentlich ein Landei. In Witten fühlt man sich schnell heimelig. Und man ist schnell im Grünen! Perfekt ist auch: Das Ruhrgebiet liegt zentral in Deutschland, ob man nach Süddeutschland muss, nach Berlin oder Hamburg – man ist überall relativ schnell.

Sie haben zunächst ein paar Jahre auf der Bahnhofstraße gewohnt.

Ja, fünf Jahre – mit meiner Frau Fee Badenius. Sie stammt übrigens aus Lübeck und arbeitet als Lehrerin an der Blote-Vogel-Schule. (Lacht) Noch bekannter ist sie aber sicherlich als Liedermacherin. Übrigens: Man kann wunderbar auf der Bahnhofstraße sitzen und den Leuten zuhören, was sie so reden. Davon lebt man ja als Kabarettist...

Bissig: René Sydow lässt sich den Mund nicht verbieten.
Bissig: René Sydow lässt sich den Mund nicht verbieten. © Steffen Baranski

Sie sind am Freitag mit Ihrem Programm „Warnung vor dem Munde!“ im Saalbau. Ihr Themenspektrum reicht vom sogenannten Islamischen Staat bis zur AfD, von Flüchtlingen bis zu Politikern, die die Unwahrheit sagen. Sie sprechen aber auch über Schönheitsoperationen, Essgewohnheiten und das Älterwerden.

Über alle Themen des täglichen Lebens, die uns beschäftigen sollten. Es geht viel um Politik, aber es geht um gesellschaftliche Themen. Jede Form von Political Correctness nervt mich wahnsinnig. Auch Leute, die Dogmen hinterherrennen – von der Religion bis zum Veganismus. Frau Merkel taucht in meinem Programm auf. Es gibt das Gefühl, dass sie einen Stillstand verursacht hat. Angela Merkel verwaltet nur noch, sie sitzt aus. Im Programm wird sie Reichsverweserin von Helmut Kohl genannt. Bayerische Politiker kommen auch nicht gut weg. Und natürlich ist die AfD ein Thema.

Merken Sie das bei Auftritten?

Ja! Diese Leute bleiben nicht bis zum Schluss. Sie gehen in der Pause und schreiben mir dann lange Mails. Ich bekomme auch Drohungen. Die Menschen nennen hierbei ihren Namen, auch ihre Adresse. Ich fühle mich dadurch aber nicht so bedroht, dass ich damit zur Polizei gehen würde. Wir leben in einer Kultur, in der das Pöbeln gängig geworden ist.

Sie sind auf der Bühne kein Leisetreter. Sie sind laut.

Ja, das Programm hat ein hohes Tempo. Ich bin so. Ich denke schnell und ich rede schnell. Die Sachen, die ich auf der Bühne verhandele, sind mir wirklich wichtig. Im Programm gibt es laute Sequenzen, in denen ich mich aufrege und dann fahre ich zurück. Der Wechsel ist wichtig.

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Was unterscheidet einen Kabarettisten von einem Comedian?

Nicht die Qualität. Aber ich denke schon, dass das politische Kabarett, zu dem ich gehöre, doch eine Relevanz haben muss. Ich möchte etwas von den Zuschauern. Bei der Comedy erzählt man aus dem Alltag, vom letzten Umzug, von seiner Frau – es wird gelacht. Darum geht es im Kabarett nicht. Ich möchte, dass mein Publikum mitdenkt, dass es über Dinge, über die ich rede, sagt: Ach, von dieser Seite habe ich das noch gar nicht betrachtet.

Neigen Menschen dazu, denkfaul zu sein?

Ja klar! Die Leute werden aber auch unterfordert. Nehmen Sie doch das Fernsehprogramm. Da erlebe ich nur Unterforderung, da gibt es ganz viel Bla, Bla, Bla – und zwar nicht nur bei den Privatsendern. Qualitätsprogramm läuft oft nachts. Ich schalte auf Arte oder 3sat, um zu sagen: Oh, das ist ja mal interessant. Und das Fernsehprogramm war früher einmal anders! Die Leute sind ja nicht dümmer als vor 20 Jahren. Das wird ihnen aber wohl unterstellt – und zwar sowohl von den Medien wie aber auch von der Politik.

Darf man als Kabarettist eigentlich alles sagen?

Auf der Kabarettbühne hält man ja ein Schild davor: Es ist Satire! Aber dies mache ich auch immer deutlich. Beispiel: In meinem Programm taucht eine Figur auf, die sagt: ,Neger’. Da hat mich mal ein Kollege gerügt, der meinte: ,Neger, so etwas sagt man nicht.’ Das ist Quatsch. Weil die Figur, die das sagt, zutiefst rassistisch ist. Wenn man vor einem Asta an der Uni spielt, die Leute konserativer sind als unsere Großeltern – da haue ich alles raus. Unter Studenten gibt es heute Sprechverbote. Sie sollten doch Freigeister sein. Es gibt da aber Denkdogmen. Anderes Beispiel: Meine Frau hat ein Lied gemacht über Vegetarier. Die fühlten sich so beleidigt, dass sie Morddrohungen bekam. Da gibt es keinen Humor. Das ist schockierend. Menschen pöbeln heute im Internet, es gibt keine Grenzen mehr, aber selbst sind die Leute sehr empfindlich.

Sie waren schon in über 40 Theaterrollen zu sehen.

Ich habe viel Boulevardtheater gespielt – aber auch Shakespeare und Kindermörder. Die bekanntesten Adressen, wo ich aufgetreten bin, waren das Staatstheater Stuttgart und das Bochumer Schauspielhaus. In Dortmund habe ich Kinder- und Jugendtheater gespielt – da war ich der Sohn von Robin Hood. Vielleicht spiele ich auch im nächsten Jahr Theater in Berlin, darüber wird gerade verhandelt. Ich habe keine Schauspielausbildung. Aber offenbar mache ich es gut. Ich hatte ja auch Auftritte im Fernsehen – etwa bei „Alarm für Cobra 11“. Da habe ich einen Entführer gespielt, der eine Frau lebendig begraben hat. Beim Filmen kann man die Sachen wiederholen. Auf der Bühne zahlt man aber cash. Da muss ich den Abend tragen.