Witten. . Martin Steinigeweg ist ein ausgewiesener Graffiti-Experte. In Witten müssen Stadt, Polizei, Hausbesitzer und Szene-Kenner die Sache angehen, sagt er.

  • Martin Steinigeweg ist als Graffiti-Experte bundesweit unterwegs, berät Hausbesitzer und Stadtverwaltungen
  • Über die Farb-Schmierereien in seiner Heimatstadt schüttelt der Wittener Ingenieur den Kopf
  • Graffiti müssten unbedingt beseitigt werden, Betroffene eine gemeinsame Strategie entwickeln

Die Polizei hat noch keine heiße Spur, sucht weiterhin nach drei jungen Männern die seit August in der Stadt für zahllose Schmierereien mit dem Schriftzug „RAW“ zuständig sein sollen. Über die Graffiti-Flut in seiner Heimatstadt Witten schüttelt Martin Steinigeweg den Kopf. Der Ingenieur gilt als ausgewiesener Graffiti-Experte und ist in dieser Sache bundesweit als Berater unterwegs. Wenn man Sprayern das Handwerk legen wolle, müssten sich Betroffene an einen Tisch setzen, um gemeinsam eine Strategie zu entwickeln, betont der 59-Jährige.

Was, wie er bedauert, in Witten bislang nicht geschehen sei. Es müssten alle zusammenkommen, die mit dem Thema zu tun haben. „Vertreter der Stadt, des Jugend- und Ordnungsamtes, des städtischen Gebäudemanagments, ein Verantwortlicher für die Schulen, natürlich auch die Polizei, der Eigentümerverband Haus & Grund, Hausverwaltungen, aber auch Leute, die die Sprayer-Szene genau kennen.“

„Man muss die Leinwände der Sprayer zerstören“

Nur mit einer „konzertierten Aktion“ könne man etwas bewirken, weiß Steinigeweg, der 25 Jahre bei den Dortmunder Stadtwerken als Dienststellenleiter im Verkehrsbetrieb zuständig war für Haltestellen, Tunnel und Gebäude. „Vandalismus und dessen Bekämpfung war dort ein großes Thema“, sagt der Verkehrsbauingenieur. Dass er selbst zu einem Graffiti-Fachmann wurde, „hing auch damit zusammen, dass Firmen, die in unserem Auftrag Schmierereien entfernt haben, unprofessionell vorgegangen sind und dadurch Fassaden beschädigt haben“.

© Funke Foto Services

In Witten, findet Steinigeweg, sei es mit den Farb-Schmierereien noch nie so schlimm gewesen wie heute. Ganz wichtig sei, diese Sachen zu entfernen, was in der Stadt oft nicht passiere. Die Folge sei, „dass eine Verschmutzung zur nächsten kommt. Man muss die Leinwände der Sprayer zerstören“, rät der Vormholzer, der auch die East Side Gallery in Berlin beriet, die sich als Denkmal für den Mauerfall versteht und auch Graffiti-Probleme hat.

Lack für die Fassade

Wer sein Haus vor Graffiti-Attacken schützen möchte, sollte über einen Schutzanstrich nachdenken, so Steinigeweg. „Über einen Lack bei einer schon gestrichenen Fassade, über eine Imprägnierung bei Natursteinen.“ Hierbei müsse aber die Bauphysik beachtet werden. „Wände müssen atmen können, sonst droht Schimmelpilz!“ In der Regel reiche es, ein Gebäude bis zu einer Höhe von drei Metern zu schützen. „Es kommt aber immer auf die jeweiligen Örtlichkeiten an.“

Bei Mauern und Wänden sei eine Bepflanzung möglich, „wenn die Bausubstanz das zulässt“, sagt der Experte. Auf einem rein privaten Gelände könne man auch über eine Kamera-Installation nachdenken. „Natürlich darf man aber keinen öffentlichen Raum überwachen.“

„Eine Beleuchtung hält außerdem andere Vandalen ab“

Licht habe ebenfalls eine abschreckende Wirkung. „Eine Beleuchtung hält außerdem auch andere Vandalen und die Drogenszene ab“, betont Martin Steinigeweg, der nach seinem Ausscheiden aus dem Berufsleben weiterhin das Dortmunder Tiefbauamt und das Leipziger Ordnungsamt in Sachen Graffiti berät.

In Bielefeld, sagt er, habe man gute Erfahrungen mit einem Verein gemacht. Auf Initiative des Einzelhandelsverbands Ostwestfalen-Lippe und des Sozial- und Kriminalpräventiven Rates der Stadt wurde dort der Verein „Startklar“ gegründet. Das Ziel: die Bekämpfung von Farb-Vandalismus in der Stadt. Außerdem will man Graffiti-Attacken vorbeugen helfen. Der Verein berät betroffene Bürger, dessen Arbeitsgruppe „Stadtbildpflege“ ist für die Beseitigung von Schmierereien im öffentlichen Raum und an städtischen Gebäuden zuständig. Die Reinigungsgruppe wird von den Umweltbetrieben der Stadt Bielefeld betreut. „Und das läuft gut“, weiß Steinigeweg. Der sich so etwas auch für Witten wünschen würde.

Der Interessenverband Anti-Graffiti in Leipzig gibt Tipps

Der Diplom-Ingenieur hat 2004 in Witten eine Firma gegründet: das „Beratungsbüro für Bauwerkspflege“ (www.bauwerkspflege.de). Steinigeweg ist Sachverständiger für die Entfernung von Farb-Schmierereien und die Durchführung von Prophylaxe-Maßnahmen. Der Experte berät deutschlandweit Immobilienbesitzer, Stadtverwaltungen und Verkehrsbetriebe und hält Vorträge auf Fachkonferenzen – wie im September in Erfurt.

Der 59-Jährige ist auch Vorstand des Interessenverbandes Anti-Graffiti e.V. (Leipzig). „Hier erhält man Tipps zur Graffiti-Entfernung und Vorbeugung (www.interessenverband-anti-graffiti.de).“ Mit beidem sollte man nur Fachfirmen betrauen, die sich auch vom Leipziger Verein beraten lassen können, so Steinigeweg. „Auch bei einem Hochdruckreiniger muss man wissen, welcher Druck der richtige ist.“