Witten. . Gewaltbereite Jugendliche, die sich an der Johanniskirche treffen, zwingen Pfarrerin Julia Holtz zu handeln. Sie bittet die Stadt Witten und Polizei um Hilfe.
- Julia Holtz, Pfarrerin der Johanniskirchengemeinde, hat sich hilfesuchend an die Stadt gewandt
- Grund sind aggressive Jugendliche, die den Kirchplatz zu ihrem Treffpunkt erkoren haben
- Auch Besucher des evangelischen Gotteshauses werden angepöbelt, manche haben Angst
Lärm und Geschrei bis in die frühen Morgenstunden, Pöbeleien und Prügeleien, ein täglich verdreckter Kirchplatz: Julia Holtz, Pfarrerin der Johanniskirchengemeinde in Witten, ist am Ende ihres Lateins und braucht Hilfe, wie sie betont. Denn ihre Kirche habe sich seit zwei, drei Jahren zu einem Treffpunkt für gewaltbereite Jugendliche entwickelt. „Und zwar nicht nur am Wochenende, sondern auch in der Woche.“ Am Donnerstagnachmittag (13. Oktober) hat Holtz deswegen – gemeinsam mit Küsterin Blazenka Weber-Lorenz – einen Termin bei Bürgermeisterin Sonja Leidemann. Mit am Tisch sitzen Vertreter der Wittener Polizei und des Ordnungsamtes.
Gemeinsam müsse man darüber nachdenken, wie man dieses „komplexe Problem“ angehen könne, so Holtz. „Denn für uns ist das alles eine Nummer zu groß. Die Leute, um die es geht, sind teilweise sehr aggressiv. Es gibt Grenzen“, sagt die 54-Jährige. Sie ist der Ansicht, dass das Treiben rund um das evangelische Gotteshaus auch dem Image der Stadt schadet. „Denn wir sind hier mitten im Zentrum, direkt am Kornmarkt, gegenüber vom Rathaus.“
Lärm bis in den frühen Morgen
Blazenka Weber-Lorenz, seit 2013 Küsterin der Johannisgemeinde, nickt. Mit ihrem Mann wohnt die 56-Jährige direkt an der Johanniskirche: „Auf dem Kirchplatz zum Kornmarkt hin finden wir morgens nicht nur zerschlagene Flaschen und Abfall jeder Art, sondern auch Erbrochenes und menschliche Fäkalien. Im Januar lag dort sogar eine Pistole, kein Spielzeug, sondern eine echte.“
Auch interessant
Viele der überwiegend männlichen Jugendlichen und jungen Erwachsenen, „die sich mit zehn bis 20 Leuten, aber auch schon mal mit 30 oder 40“, an der Kirche versammelten, hätten einen Migrationshintergrund, sagt die Küsterin. „Aber es sind auch Deutsche darunter.“ An der Kirche treffe man sich schon ab mittags und „das geht dann bis in die frühen Morgenstunden“. Werde wegen Schlägereien, lauter Musik oder Geschrei die Polizei gerufen, zeige dies häufig nur kurzfristig Wirkung. „Oft sind die Leute dann nach einer halben Stunde wieder da.“
Auch Eltern sind besorgt
Manchmal bekomme sie nachts nur zwei Stunden Schlaf, sagt Blazenka Weber-Lorenz. So etwas raube jemandem, der am nächsten Tag arbeiten müsse, viel Kraft. Man könne auch nicht tolerieren, dass Besucher der Kirche – „wie etwa ältere Damen, die zum Chorsingen kommen“ – von den Jugendlichen mit Sprüchen belegt würden. „Es gibt auch besorgte Eltern, die ihre Kinder nicht zu unserer Jugendarbeit schicken. Andere bringen ihre Kinder her und holen sie auch wieder ab“, so Pfarrerin Holtz. Die es auch erlebt, dass laute Hip-Hop-Musik von draußen den Gottesdienst empfindlich stört.
Eine Alkoholiker- und Drogenszene gab es schon seit vielen Jahren an der Johanniskirche. Heute aber sei dort ein ganz anderes Klientel unterwegs, sagt Pfarrerin Julia Holtz. Immer nur die Polizei zu rufen, ändere die Situation nicht, betont die 54-Jährige. Daher möchte sie gemeinsam mit der Stadt und der Polizei nach Lösungen suchen.
Julia Holtz und Küsterin Blazenka Weber-Lorenz glauben, dass die Kneipen im Johannisviertel mit ihren langen Öffnungszeiten ebenso wie die Kioske, die zum Teil bis weit in die Nacht hinein auch Alkohol verkaufen, ein Teil des Problems sind. „Bei den Kneipen stehen die Gäste bis vier, fünf Uhr nachts draußen, rauchen, lachen, singen.“ Und manchmal komme es dann eben auch zu Prügeleien mit Jugendlichen, die sich an der Kirche aufhielten.
Leute, die gestrandet sind
„Wir leben mit Bedrohung und Lärm und fürchten, dass diese Situation noch weiter kippen könnte“, erklärt die Küsterin. Mit Pfarrerin Holtz ist sie sich einig, dass es nicht nur darum gehen kann, die Szene vom Kirchplatz zu vertreiben. Diese treffe sich dann eben an einer anderen Stelle in der Stadt. „Wir haben auch eine soziale Verantwortung. Das sind sicherlich auch Leute, die gestrandet sind. Die ruinieren sich ihr Leben. Ein Sozialarbeiter, ein Streetworker wäre ideal, der mit den Jugendlichen auch pädagogisch arbeitet“, findet Holtz. Weber-Lorenz ergänzt: „Für die Leute wäre eine sinnvolle Beschäftigung wichtig, ebenso ein Jugendtreff für den Nachmittag.“ Die Szene sei für die evangelische Kirchengemeinde „eine Nummer zu groß“. Holtz: „Da müssen professionelle Kräfte ran.“
Polizei will sich kümmern
Auch Wittens Polizeichef Reinhard Glowka wird im Rathaus am Gespräch mit Bürgermeisterin Sonja Leidemann teilnehmen. „Ja, im Johannisviertel sind wir häufig unterwegs, zumeist, weil wir wegen Ruhestörungen gerufen werden, aber auch bei Körperverletzungen.“ Ihm, so betont der 58-Jährige, der selbst seit seiner Kindheit in der Stadt zuhause ist, machten auch die Jugendlichen Sorgen, die sich freitags- und samstagsabends auf dem Rathausvorplatz versammelten „und dort rumschreien und herumpöbeln“. Glowka: „Wir als Polizei werden das tun, was wir tun können, um hier Abhilfe zu schaffen.“