Witten. . Die Wittener Künstlerin Eva Kalien setzt sich mit ihrer Heimatstadt auseinander. Herausgekommen ist eine Liebeserklärung, keineswegs aber verklärt.
Eine Liebeserklärung an Witten – diesen Text der Künstlerin Eva Kalien wollen wir Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, nicht vorenthalten. Gekürzt geben wir ihn an dieser Stelle wieder. „Ach du liebes Witten“ titelt ihn Kalien selbst.
Seit zweiundvierzig Jahren lebe ich mehr oder weniger ununterbrochen in dieser Stadt am Rande des Ruhrgebiets. Irgendetwas hat mich hier immer festgehalten. Als meine Schulzeit endete, zog alles um mich herum in die Ferne.
Berlin, Hamburg, München.
Mich zog es auch, aber ich kam nicht weg. Kleinere Eskapaden nach Bochum und Dortmund endeten immer mit der Rückkehr in diese kleine, seltsame, verbaute und eigentlich nicht wirklich schöne Stadt. Sie liegt im Schatten ihrer großen Geschwister, die zu nah an ihr kleben. Sie schrappt grade eben an der Einwohnerzahl zur Großstadt entlang und als ich jung war, schmückte sie sich mit einem akzeptablen Mittelmaß an kultureller Attraktivität. Aber Witten hat sich verändert.
Meine Eltern, beide Wittener, erzählen immer, Witten wäre früher die Kleinstadt mit den besonderen, exquisiten Geschäftchen gewesen. Dunkel erinnere ich mich an die Ausläufer dieser Zeit. Kleine Läden, deren Individualität anziehend war. Anziehend genug. Auch im buchstäblichen Sinne.
Heute gibt es die Universität Witten/Herdecke, die Werkstadt, Stellwerk und das Knuts. Es gibt einen Tummelmarkt, das Wiesenviertel, Kultur in der Umkleide und das Maschinchen Buntes. Viele engagierte Schulen, darunter zwei Waldorfschulen. Das Zeltfestival klebt an einer Seite des Städtchens, beim Dortmunder Geierabend wird Annen regelmäßig erwähnt und eine alte Fabrikhalle hat sich zum Tangomärchen entwickelt. Diese Aufzählung ist lückenhaft und selbstverständlich subjektiv. Frage ich Menschen die hier gerne leben, ist die Aufzählung immer eine andere. Ein Zeichen für Vielfalt, finde ich. Witten ist außerdem nicht einfach nur Witten. Es ist Witten an der Ruhr.
Dieser leicht trübe, flaschengrün bis moosfarbene träge Fluss hat Tiefe. Nicht nur strömungsverwirbelte Untiefen. Auch Tiefe in seiner Ausstrahlung. Radfahrer umwerben die Ufer. Manch einer lässt sich mit der kleinen, ausgesprochen freundlichen Fähre übersetzen und blinzelt dabei zur Burgruine Hardenstein herüber. Mit der weißen Schwalbe ist es sogar möglich, auf dem Gewässer von Kreuzfahrten zu träumen. Und einige schwimme
Könntest du doch dulden dass wir gelegentlich im Sommer, an den wenigen heißen Tagen im Jahr, die es gibt, für einige Minuten in deinem Gewässer schwimmen. Genauso wie du deine Hand öffnest wenn sich im Winter Eis auf die Teiche legt, damit wir ein bisschen mit unseren Kufen über den Hammerteich schlittern können. Ich mag dich dafür so gerne und ich weiß, diese Sympathie teile ich mit vielen.
Lass uns zusammen ein friedliches Witten an der Ruhr sein, denn ich bin ja ein Teil von dir. Du bist meine Heimat. Ach du liebes Witten, das wünsche ich….!
Eva Kalien