Witten. . Vhs-Direktorin Bettina Sommerbauer erklärt das Konzept der Weiterbildung. Ein Gespräch über die richtige Lernatmosphäre, Esoterik und einen Flop.

Seit 95 Jahren sorgen die Volkshochschulen im Land für die Weiterbildung der Bürger. Die lernen bei ihrer Vhs Kochen, Malen oder Tanzen, Deutsch oder Fremdsprachen, Pilates oder Yoga oder wie man sein Smartphone bedient. 439 Kurse bietet die Vhs Witten-Wetter-Herdecke im neuen Semester an, das am 5. September startet. Etwa 12 000 Bürger nehmen jährlich daran teil. Direktorin Bettina Sommerbauer steht hinter dem Erfolgskonzept im nördlichen EN-Kreis. Die 47-Jährige beschreibt, was eine gute Vhs ausmacht, welcher Kurs ein Flop war und was ihr an den Wittenern nicht gefällt.

Jedes Jahr erscheinen zwei neue Kursbücher mit etlichen Angeboten. Wie behält man überhaupt den Überblick, was bei den Leuten ankommt?

Bettina Sommerbauer: Wir haben immer ein Ohr am Teilnehmer, greifen deren Ideen und Bedürfnisse direkt auf. Und wir orientieren uns natürlich an der aktuellen gesellschaftlichen Situation. Wir haben zum Beispiel lange keine Anfängerkurse in Englisch angeboten, weil jeder irgendwie ein bisschen die Sprache konnte. Jetzt gibt es wieder was für absolute Neueinsteiger – denn viele Osteuropäer, die jetzt hier sind, können kein Englisch. Oder nehmen Sie die Integrationskurse. Die machen inzwischen unseren größten Bereich aus. Außerdem haben wir im vergangenen Jahr erstmals mit ehrenamtlichen Studenten und Lehrern zusammengearbeitet, um Sprachförderung für Flüchtlinge schon anbieten zu können, als unser Programm noch gar nicht stand. Das Engagement dieser Menschen hat mich übrigens sehr bewegt.

Wenn man durch das Seminarzentrum an der Holzkampstraße geht, trifft man viele Nationalitäten. Wie funktioniert das?

Sommerbauer: Das ist ein angenehmes Miteinander. Aber unsere Regeln und Werte müssen natürlich eingehalten werden. Da greife ich, wenn’s sein muss, auch mal durch.

Ihr Haus wirkt hell und offen. Es gibt sogar eine Caféteria. Insgesamt ein Ort zum Wohlfühlen?

Sommerbauer: Absolut. Eine gute Lernatmosphäre ist wichtig. Viele Kurse treffen sich hinterher auf einen Kaffee im Foyer. Da sind wir fast so was wie ein kommunaler Treffpunkt. Wenn ich oben auf der Galerie stehe und das betrachte, dann freue ich mich über diese bunte Mischung.

Von „angestaubtem“ Image, wie es der Begriff Volkshochschule noch vermittelt, kann also keine Rede sein?

Sommerbauer: Da haben wir eher intern ein negatives Bild von uns selbst. Aber 95 Prozent der Bevölkerung kennen die Vhs und finden sie gut. Das liegt auch daran, dass wir „die Guten“ sind. Wir stehen für Qualität. Die Leute müssen nicht prüfen, ob ein Angebot seriös ist. Im Übrigen gibt es für uns auch Bereiche, die gar nicht gehen. Zum Beispiel machen wir keine esoterischen Angebote oder geben Heilsversprechen. Bei uns werden Sie den Kurs „Mit dem Glücksengel zur persönlichen Zufriedenheit“ nicht finden.

Haben Sie mit einem Angebot schon mal total danebengelegen?

Sommerbauer: Ja, das war vor zwölf Jahren, als ich bei der EN-Süd gearbeitet habe. Zu dieser Zeit wurde gerade das PC-Spiel „World of Warcraft“ aktuell, das vielen Eltern Sorge bereitete, weil es als Ballerspiel gilt. Da habe ich zwei junge Männer eingeladen, die den Eltern das mal erklären sollten – und keiner kam. Ich war maßlos enttäuscht. Aber es war vielleicht noch zu früh.

Sie haben viele Mitarbeiterinnen...

Sommerbauer: Die Bildungsbranche ist weiblich. Aber ich habe das beste Team – unabhängig vom Geschlecht.

Sie sind Sozialarbeiterin und Fachwirtin im Gesundheits- und Sozialwesen. Waren Sie schon immer bei der Vhs tätig?

Sommerbauer: Nein, ich habe auch mal in einem Dorstener Kinderheim gearbeitet. Ich komme aus Recklinghausen und habe schon in vielen Städten gelebt und gearbeitet. Aber hier in Witten, in Heven, bin ich zur Ruhe gekommen.

Was gefällt Ihnen an der Stadt?

Sommerbauer: Machen wir’s mal andersrum: Mir gefällt die Nestbeschmutzerei hier nicht. Ich verstehe nicht, dass so viele Wittener ihre Stadt so schlecht machen. Ich bin gerne hier und werde auch hier bleiben.

Haben Sie eigentlich selbst schon mal einen Vhs-Kurs belegt?

Sommerbauer: Ja, früher habe ich mal Spanisch gelernt. Weil ein Teil meiner Verwandtschaft in Spanien lebt.

Welchen Kurs würden Sie gern besuchen, wenn Sie Zeit hätten?

Sommerbauer: Einen Foto-Workshop. Aber ich würde auch gern Schrottplastiken schweißen. Und für meine Gesundheit müsste ich auch was tun. Bisher galt immer: „no sports“. Zum Glück habe ich noch keine Rückenprobleme.

Ein bisschen Ausgleich muss aber doch sein...

Sommerbauer: Ich lese gern. Und das mache ich jeden Tag, das gehört einfach dazu. Ingeborg Bachmann ist meine Lieblingsautorin. Außerdem beschäftige ich mich gern mit gesellschaftskritischen Zukunftsfantasien oder versuche, naturwissenschaftliche Phänomene zu durchdringen.

Puh, klingt sehr anspruchsvoll. Unter „Ausgleich“ stellen sich viele sicher etwas anderes vor. Beruhigen Sie uns mal...

Sommerbauer: Na ja, ich habe zum Beispiel neulich noch bei jemandem eine Wand verputzt und dafür Pflaumen gekriegt. Solch einen Tausch – das finde ich auch toll.