Witten. . Lena Küçük ist Sprecherin der Stadt, die sie liebevoll betrachtet. Die 32-Jährige will nichts schönreden, aber gut erklären, was nicht so toll läuft.

Lena Küçük war ihrer Heimatstadt nicht immer treu, ging zum Studium nach Düsseldorf und war als Schülerin ein Jahr in Amerika. Seit 2011 ist sie Sprecherin der Stadt. Die Verwaltung beschäftigt rund 1400 Menschen. Warum die 32-Jährige ihren Beruf und auch Witten liebt, erzählt sie im Interview.

Mit Witten verbindet Sie mehr als der Job. Ja, Witten ist ein Herzort für mich! Ich bin hier aufgewachsen, habe am Schiller-Gymnasium mein Abi gemacht. Und meine Mutter Karin war in Witten Redakteurin. Als 16-jährige Schülerin war ich mit einem Stipendium für ein Jahr in Texas in einer Gastfamilie. Ein Ort mit ein paar tausend Seelen. Die nächste Stadt war Houston. Diese Erfahrung gab auch den Ausschlag dafür, dass ich für das Studium zu Hause ausgezogen bin. Ich habe in Düsseldorf Geschichte und Politikwissenschaft studiert.

War der Berufswunsch damals schon klar?
Ich habe einen Moment überlegt, Lehrerin zu werden. Meine Mutter hat im Scherz damit gedroht, mich dann zu enterben. Während des Studiums habe ich Praktika bei Zeitungen gemacht. Als ich noch an meiner Masterarbeit schrieb, begann mein zweijähriges Volontariat in der Wittener Stadtpressestelle. Ich wohne auch in der Stadtmitte, früher im Oberdorf, heute in der Augustastraße.

Was ist spannend daran, Sprecherin einer Verwaltung zu sein?
Ich kann mich in meinem Beruf, den ich als Dienstleistung begreife, jeden Tag mit etwas Neuem beschäftigen. Das liebe ich. Wir sind zu zweit, mein Stellvertreter ist Helmut Sonder. Die Stadt nach außen zu vertreten, ist sicher nicht immer ganz leicht. Die Haushaltslage ist miserabel, der Zustand so mancher Straßen auch. Und in der Innenstadt ist es nicht gerade sauber.
Ich arbeite in meiner Heimatstadt. Zu ihr habe ich eine unheimliche Nähe. Witten betrachte ich nicht neutral, sondern total liebevoll. Das ist ‘ne tolle Stadt. Sie hat alles zu bieten, was der Mensch so braucht. Klar, Witten hat eine Menge Probleme. Aber die unterscheiden sich nicht fundamental von denen anderer Städte. Ich sage als Stadtsprecherin nicht, hier ist alles schön. Aber das, was nicht gut läuft, muss man gut erklären.

Sitzt man als Stadtsprecherin manchmal zwischen den Stühlen? Die Presse hat Fragen, die Kollegen in der Verwaltung haben manchmal wenig Zeit und vielleicht auch wenig Lust, sie zu beantworten.
Das ist hier Öffentlicher Dienst. Ich bin für das Öffentliche zuständig. Die Kollegen finden das normal, was sie tun. Sie glauben, das sei nicht der Rede wert. Nehmen wir das Tiefbauamt. Da hört man: Ja, da haben wir ‘ne Straße gebaut, aber das machen wir doch ständig. Diese viele Arbeit, die hier erledigt wird, muss auch öffentlich sichtbar sein. Aber: Ich trage etwas an meine Kollegen heran, was für sie nachrangig ist. Denn sie haben ihre Arbeit. Wenn es um unangenehme Themen geht, wenn was nicht richtig gut gelaufen ist, da spricht man nicht gerne drüber. Das ist menschlich. Aber: Wer nicht öffentlich in Erscheinung treten möchte, darf sich vielleicht auch nicht den Öffentlichen Dienst aussuchen.

Es gibt Themen, über die die Stadtsprecherin nicht sprechen darf.
Es ist nicht alles, was die Öffentlichkeit interessiert, öffentlich. Beispiel: Wir veröffentlichen nicht jeden Ort, an dem Flüchtlinge leben. Der Brandanschlag auf die Flüchtlingsunterkunft Bommerholz – das war einer meiner schwärzesten Tage. Ich hatte vorher immer über die Unterkunft berichtet. Ich habe gedacht: Ich habe das öffentlich gemacht und irgendein bösmeinender Mensch hat da jetzt das Haus angezündet. Das war ein grauenhaftes Gefühl. In der Stadt wird viel zerstört, es gibt viel Müll, der einfach in die Gegend geworfen wird.
Ja, da kann die Stadt oft leider nicht gegenan arbeiten. Aber ich muss mein Kaugummi nicht auf den Boden werfen, ich muss den Müll nicht irgendwo in die Rabatten kippen. Man möchte, dass die Stadtverwaltung einen Beitrag zu einer liebenswerten Stadt leistet. Da ist jeder Einzelne gefragt. Es gibt auch Bürgerpflichten. Ich finde, die Schere geht immer mehr auseinander zwischen den Leuten, die die Stadt mit Füßen treten, und denen, die sich für sie engagieren, die sich kümmern.

In den Sommerferien war häufiger die städtische Telefonzentrale nicht besetzt, weil das Personal knapp war. Bürger machen auch die Erfahrung, dass sie direkt in den Ämtern oft niemanden erreichen. So was ärgert die Leute.
Mich ärgert auch, wenn ich meinen Arzt anrufe und niemand geht ans Telefon. Es geht nicht, dass jemand ein Gespräch nicht annimmt, weil er keine Lust hat. Es gibt aber auch viele Stellen in unserer Verwaltung, wo die Leute nicht den ganzen Tag an ihrem Arbeitsplatz sitzen. Die haben Außendienst, die haben Besprechungen. Was unsere Telefonzentrale betrifft: Die Sommerferien waren schon immer eine Ausnahmezeit. Da muss man drüber nachdenken, ob man den Service anders organisiert.

Eine Stadtsprecherin hat auch mal Feierabend. Wie entspannt sich Lena Küçük?
Als Schülerin habe ich Fußball gespielt – beim SV Bommern. Ich mag es beim Sport robuster, Yoga wäre nichts für mich. Heute fahre ich gerne Rad, gelegentlich gehe ich laufen. Ich habe meinen Motorradführerschein gemacht, mir eine Yamaha MT-07 gekauft. Und ich mache Kraftsport, ein Ausgleich zu meiner sitzenden Arbeit – für meinen Nacken und meine Schultern.

Trotz der großen Liebe zu Witten: Gibt es eine Stadt, in der Sie auch gerne leben und arbeiten würden?
Hamburg! Aber dafür bin ich privat nicht mehr beweglich genug. Ich mag die Schnodderigkeit der Hamburger, ich mag Städte am Wasser!