Witten.. Hauseigentümer wollen nachträgliche Erhöhung der Grundsteuer um 32 Prozent fürs laufende Jahr nicht einfach hinnehmen. Stadt weist Einwände zurück.
Gegen die rund 30 000 Grundsteuerbescheide, die die Stadtverwaltung Ende Juni verschickt hatte, sind bis zum Fristende am 1. August über 200 Widersprüche eingegangen, genau 207. Die Antwortschreiben darauf gehen gerade raus und sind durch die Bank abschlägig. Eine Klage dagegen – das nächste Rechtsmittel – liegt der Stadt bisher nicht vor.
„Modernes Raubrittertum“ und eine „Explosion der Grundsteuer“ hatten Bürger und Verbände der Stadt vorgeworfen. Rückwirkend zum 1. Januar hatte sie den Hebesatz von 690 auf 910 Punkte erhöht – 32 Prozent mehr. Angesichts der öffentlichen Empörung im Vorfeld hätte man jetzt beim Vollzug eigentlich noch mit mehr Widersprüchen gerechnet, räumt Stadtsprecherin Lena Kücük offen ein.
Allerdings begehren die Wittener schon stärker auf als früher: 2015, als die Hebesätze von 590 auf 690 Zähler stiegen, hatte überhaupt kein Haus- oder Grundeigentümer widersprochen.
Die 207 Widersprüche jetzt richten sich jetzt meist gegen die Höhe der neuen Forderung und gegen die nachträgliche Neufestsetzung fürs laufende Jahr – sechs Monate, nachdem der erste Bescheid im Briefkasten gelandet war. Einzelne Schreiber fordern auch, dass die Stadt ihre Töchter (Sparkasse, Stadtwerke) endlich zu Zahlungen heranziehen soll. Andere beziehen sich auf das Begleitschreiben von Kämmerer und Bürgermeisterin vom Juni und meinen, die dort angeführten neuen Kitas oder Gewerbegebiete brächten ihnen persönlich keine Vorteile.
Die Stadt antwortet mit bekannten Argumenten: Eine „erdrosselnde Wirkung“ habe die Grundsteuer erst, wenn sie die Bürger in den Ruin treibe und die Steuerquelle somit versiegen würde. Das Grundsteuergesetz erlaube die Erhöhung ausdrücklich bis zur Jahresmitte. Das Hebesatzrecht der Gemeinde sei verfassungsrechtlich geschützt, der Rat frei in seiner Entscheidung, solange er nicht „unsachlich“ oder „willkürlich“ handele. Zudem kann der Bürger bei Steuern anders als bei Abgaben keine konkrete Gegenleistung erwarten.
Verband sieht von Sammelklage ab
Der Verband „Haus und Grund“ Annen hatte – wie andere Verbände – im Vorfeld gegen die Erhöhung protestiert, seine 700 Mitglieder aber dann nicht aufgefordert, Widerspruch einzulegen. „Auch wenn viele Wut im Bauch haben, gehen wir davon aus, dass das aussichtslos ist“, sagt Vorsitzender Bernd Colditz. Dasselbe gelte für eine Sammelklage, nach der sich Mitglieder erkundigt hätten, von der ein Anwalt aber ebenfalls abrate. Hier ist der Verband ein gebranntes Kind: Er hatte in den 1990-er Jahren gegen die Neuregelung der Entwässerungsgebühren bis zum Oberverwaltungsgericht geklagt und gegen die Stadtwerke den Kürzeren gezogen.
Info-Box: Grundsteuer für bebaute Grundstücke:
Grundsteuer B: Für ein Reihenhaus in der Innenstadt, Bj. 2002, hat die Stadt nachträglich 809 statt zuvor 614 Euro für 2016 festgesetzt – ca. 200 Euro mehr. Die Grundsteuer für ein Einfamilienhaus im Bebbelsdorf (1950) stieg von 254 auf 435 Euro, für ein Haus am Wettberg in Bommern (1983) von 525 auf 639 Euro. Die Erhöhung soll der Stadt Witten jährlich 7,2 Mio Euro an Mehreinnahmen einbringen.
Für Mieter wird die höhere Grundsteuer erst 2017 spürbar, wenn sie die Jahresnebenkostenabrechnung für 2016 erhalten.
Die Wohnungsgenossenschaft Mitte rechnet mit Mehrkosten von 180 000 Euro – im Schnitt 100 Euro für jede der 1800 Wohnungen. Um Nebenkosten niedrig zu halten, hat sie den Kabelnetzanbieter gewechselt und Kosten in ähnlicher Höhe eingespart.