Witten/Herne. Der plötzliche Tod von Schausteller Christian Bonner Anfang Juni war ein großer Schock. Doch das Geschäft muss weitergehen.

Die Teenager juchzen vor Freude. Die Gondeln des „Breakdance“ fliegen durch die Luft, die Bässe wummern, wenn Schwiegersohn Thomas die Lautstärke-Regler für die Musik hochschiebt. Kirmes kennt keine Trauer.

Bei den Bonners muss sich das Karussell immer weiterdrehen, auch nach dem plötzlichen Tod von Christian Bonner, der wie sein Vater Hermann ein Urgestein des Wittener Schausteller-Gewerbes war. Keine drei Monate nach seinem Tod am 5. Juni sitzt Dagmar Bonner wie immer im Kassenhäuschen auf Crange. Diesmal gibt es sogar zwei „Zahlstellen“. Links gibt die Mutter die Tickets für den großen Breakdance aus, rechts Tochter Deborah.

Da mag die Welt untergehen und der Kloß im Hals von Dagmar Bonner noch so groß sein – Geschäft ist Geschäft und jeder jahrmarktfreie Tag bedeutet Stillstand. Das Millionen teure Karussell rechnet sich nur, wenn es sich dreht. „Jede Woche, jede Woche, jede Woche“, sagt Dagmar Bonner fast beschwörend. Sie weiß, dass es ihr Mann nicht anders gewollt hätte. Heute Crange, morgen Wennsche Kirmes bei Olpe, Neusser Schützenfest, Schwelmer Heimatfest, Soester Allerheiligenkirmes . . . – der Terminplan ist so rummelig wie eh und je.

Natürlich fehlt er an allen Ecken und Enden. Christian Bonner war immer präsent, hatte alles im Blick. Er war es, der sich auch um den Behördenkram kümmerte, um die Sondererlaubnis für den Schwertransport mit Überlänge, um die TÜV-Stempel. Nun hängt das alles an Dagmar Bonner, die zum Glück immer dabei war und deshalb weiß, wie es geht. Und es gibt zum Glück Tochter Deborah und Schwiegersohn Thomas, „die versuchen, mir viel abzunehmen“. Aber verantwortlich ist die 50-Jährige nun alleine. „Mein Tag“, sagt sie, „müsste eigentlich 48 Stunden haben.“

25 Jahre waren sie verheiratet. Gleichalt, haben sie im Vorjahr noch groß gefeiert, Silberhochzeit und runden Geburtstag. „Wir haben es richtig krachen lassen“, sagt Dagmar Bonner und ist froh, diese „schöne Erinnerung“ zu haben. An ihren Mann, den sie einmal die große Liebe ihres Lebens nannte, wird sie tagtäglich erinnert, schon deshalb, weil sie ja immer gemeinsam auf der Kirmes gestanden haben.

Dass es im Vorjahr sein letztes Crange werden sollte, wer hätte das geahnt? Da habe ihr Mann noch vermutet, dass es eher das letzte Mal für Hildegard Teichgräber sein könnte, „Tante Hilde“, die Schaustellerin, die im Februar mit 89 Jahren starb und quasi zur Familie gehörte. „Jetzt war es für beide das letzte Mal“, sagt Dagmar Bonner.

Sie kann sich zum Glück auf ein eingespieltes Team verlassen; Jeder Kirmesplatz, jeder Karussellaufbau, und sei er noch so aufwändig, ist am Ende Routine. Dafür machen die Bonners es einfach schon zu lange. Da spielt es längst keine Rolle mehr, dass Dagmar Bonner nicht ursprünglich aus einer Schausteller-Familie kommt, also eine „Private“ ist, wie es in der Branche heißt.

Die Bonners werden weiter mit ihrem großen und kleinen Breakdance über die Rummelplätze im Land ziehen, schon früh im März oder April beginnt das Reisegeschäft. Sie wollen auch die Glühwein-Pyramide und den Imbiss auf dem Wittener Weihnachtsmarkt nicht aufgeben, längst eine feste und gefragte Adresse am Berliner Platz. „Das war unser gemeinsames Baby“, sagt Dagmar Bonner. Sie drehte die Würstchen, er plauderte mit den Gäste am Tresen. Er dürfte vielen fehlen. Doch das Karussell dreht sich weiter. „Jede Woche. Jede Woche. Jede Woche.“