Witten. . Michael Kapmeyer mag das Mittelalter. Das brachte ihn auf eine Geschäftsidee: Er betreibt den Laden „Naturtuche“ im Wiesenviertel.
Seide, Wolle oder Leinen – all das und noch mehr gibt es bei Naturtuche in der Steinstraße zu kaufen. Insgesamt bietet Inhaber Michael Kapmeyer über 100 verschiedene Stoffe an. Diese kauft übrigens kaum jemand in seinem Ladenlokal im Wiesenviertel. Und trotzdem liebt der 37-Jährige das Innenstadtquartier über alles.
Es begann vor über 15 Jahren. Michael Kapmeyer entdeckt in seiner Heimat Marburg die „Reenactment“-Szene. Reenactors, das sind die, die es sich zum Hobby gemacht haben, authentisch das Leben im Mittelalter nachzustellen. „Dafür brauchte ich eine Rolle und entschied mich für den Tuchhändler“, erinnert sich der Wittener Geschäftsmann. Zunächst lief er dann mit einer Kiepe und im originalgetreuen Kostüm über Mittelaltermärkte.
Auf Festen fing alles an
Die Stoffe, die er an den Wochenenden dabei hatte, waren eigentlich nur Teil seiner Rolle. Doch die naturbelassene Ware kam gut an: „Meine Freunde auf den Märkten fragten, ob sie einige meiner Stoffe kaufen könnten.“ Irgendwann stand er mit einem 500-Meter-Ballen auf dem Parkplatz und verteilte Zehn-Meter-Abschnitte. „Danach ärgerte ich mich, dass ich nicht jedem eine extra Mark auf den Preis geschlagen hatte“, so der heute 37-Jährige – die Idee für sein Gewerbe war geboren.
Nach und nach erweiterte Kapmeyer sein Angebot. Irgendwann baute er auf den Mittelalterfesten einen ganzen Stand auf und entdeckte – wie für einen gelernten IT-Fachmann fast selbstverständlich – das Internet für seine Stoffe. „Am Anfang war jede einzelne Onlinebestellung noch ein kleines Wunder“, sagt er. Damals bekam er etwa einen Auftrag im Monat.
Von der fixen Idee zum Beruf
Das ist schon lange her. Heute sitzt Michael Kapmeyer in seinem kleinen Ladenlokal in der Steinstraße, im Herzen des Wiesenviertels, wo er faltet und verpackt und dazu eine Menge Kaffee trinkt. Seit einigen Jahren lebt er von den Tuchen. Aus der fixen Idee wurde zunächst ein Hobby und dann ein Beruf.
Unweit seines kleinen Lädchens, zu dem auch ein 80 Quadratmeter großes Lager gehört, befinden sich noch die beiden Stoffläden „Petra’s Stoffelchen“ sowie der Stoff- und Gardinenmarkt Hirschfeld. Für Kapmeyer kein Problem: „Ich sehe uns nicht als Konkurrenz, sondern als gutes Angebot für die Kunden, die schöne Stoffe suchen“, so Michael Kapmeyer.
Er mag die Kreativität des Quartiers
Ohnehin verkauft der junge Vater noch immer 95 Prozent seiner Stoffe über den Versandhandel. Diesen hat er mittlerweile ausgebaut: Es gibt farbige Stoffe, Garne und Biostoffe. „Gerade die Biostoffe werden aber auch hier im Wiesenviertel gerne gesehen“, sagt er schmunzelnd.
Dort fühlt sich Kapmeyer nicht nur wegen seiner Stoffe wohl. Es seien die gute Nachbarschaft und die vielen kreativen Köpfe, die das Quartier ausmachten. „Wenn ich morgens auf dem Weg zum Laden nicht drei bekannten Gesichtern Hallo sagen kann, muss Sonntag sein“, sagt Kapmeyer mit einem Augenzwinkern. Egal, ob Schwarzmarkt, Urban Gardening oder Wiesenviertelfest – der 37-Jährige hofft, dass das Flair auf andere Viertel in der Stadt überspringt. Etwa auf das Hohenzollernviertel, wo sich im Moment schon einiges tut, oder auf die untere Bahnhofstraße, wo diesbezüglich viel Nachholbedarf ist.
Für sein ursprüngliches Hobby, die Mittelaltermärkte, findet Michael Kapmeyer übrigens seit einigen Jahren kaum noch Zeit. Er engagiert sich mittlerweile bei zu vielen anderen Projekten: Er ist des Umweltschutzes wegen bei den Grünen in Witten politisch aktiv, er macht mit in der Naturschutzgruppe und unterstützt außerdem den Verein Honigbären in Vormholz bei der Imkerei. Und wenn dann doch nochmal für Ritter und Mägde Zeit bleibt, dann verweist er seine Kunden auf den Versandhandel. Na, was dazu wohl die Ritter vor zig hundert Jahren gesagt hätten. . .