Witten. . Fast jeder zweite Einbruch passiert in der Innenstadt. Reinhard Glowka, derzeitiger Leiter der Polizeiinspektion Witten, über die Arbeit seines Teams.

Im April ist Frank Nows, der sieben Jahre Wittens Polizeichef war, als Leiter zur Polizeiinspektion Herne gewechselt. Seit Mai führt Reinhard Glowka (58) die Wittener Inspektion kommissarisch, die zum Polizeipräsidium Bochum gehört. Vermutlich im September soll Wittens Polizei dann einen neuen Chef bekommen. Ein Gespräch mit Reinhard Glowka über Kriminalität in der Stadt, Überstunden und die bevorzugten Ziele von Einbrechern. Vor allem ältere Wittener sagen, sie fühlen sich in der Stadt unsicherer als früher. Haben sie recht?
Wir haben hier im Jahr im Schnitt 7500 Straftaten. Damit liegen wir in einem Mittelfeld, wenn man mit Witten vergleichbare Behörden nimmt. Objektiv ist die Sicherheitslage in der Stadt gut. Beispiel: Im ersten Halbjahr 2016 hatten wir 22 schwere und gefährliche Körperverletzungen. Im gleichen Zeitraum 2015 waren es 45. Hier gibt es also einen Rückgang um 50 Prozent. Die Zahl der Raubüberfälle ist im gleichen Zeitraum von 14 auf elf zurückgegangen. Aber das wird subjektiv von Bürgern manchmal anders wahrgenommen. Aber: Im Vergleich zu Bochum oder Herne leben wir hier recht ruhig.

Welche Straftaten beschäftigen Sie am meisten?
Die Wohnungseinbrüche haben im Moment unsere ganze Aufmerksamkeit. Wir hatten 2015 insgesamt rund 500 Einbrüche im Stadtgebiet. Im jetzigen ersten Halbjahr gab es 215. Dies bedeutet einen Rückgang um etwa 15 Prozent gegenüber dem Vergleichszeitraum des letzten Jahres. Womit das genau zusammenhängt, kann ich nicht beurteilen, das wird derzeit analysiert.

Gehen die Einbrüche oft auf das Konto von Banden?
Ja. Wohnungseinbrüche gehören nach meiner Überzeugung zur organisierten Kriminalität. Sie werden häufig von Banden verübt, überwiegend aus dem südosteuropäischen Raum. Die Täter werden ausgetauscht, wenn es heiß wird. Dann kommen neue Leute, die hier einbrechen. Wohnungseinbrüche sind schwer aufzuklären, wenn man die Täter nicht auf frischer Tat ertappt. Die Beweisführung ist schwierig – auch für die Gerichte. Oftmals werden keine oder kaum verwertbare Spuren hinterlassen. 2015 wurden im Schnitt 3,4 Prozent der Einbrüche aufgeklärt. Die Aufklärungsquote liegt 2016 bislang bei knapp über zehn Prozent, entwickelt sich also zum Positiven.

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In welchen Stadtteilen gibt es die meisten Einbrüche?
In der Innenstadt, da wird fast jeder zweite Einbruch begangen. Hier sind vor allem die Ardeystraße und die Straßen, die links und rechts von ihr liegen, Ziel von Einbrechern. Weiterhin überproportional betroffen sind Heven, Annen und Rüdinghausen. Bommern, Stockum und Herbede sind weniger betroffen. Aber es bleibt kein Stadtteil verschont. Einbrecher gehen auch in Mehrfamilienhäuser und arbeiten sich dort von oben nach unten vor. Rund 70 Prozent der Taten werden am Tag begangen. Die Einbrecher werden immer dreister. Auf der Crengeldanzstraße haben wir vor einiger Zeit welche festgenommen, als sie mit ihrem Rucksack voll Diebesgut im Hausflur an einem Polizisten vorbeigehen wollten.

2015 gab es rund 500 Einbrüche im Wittener Stadtgebiet. Foto: Bodo Marks/dpa Wie kann man Einbrechern das Leben schwerer machen?
Es ist wichtig, dass die Nachbarschaft aufmerksam ist. Unser Appell an die Bürger: Rufen Sie uns an, wenn Sie etwas Verdächtiges bemerken! Wir sind dankbar für alle Hinweise. Die Menschen müssen uns helfen. Leider passiert das oft nicht, weil viele Leute offenbar gleichgültiger sind als früher. Das ist jedenfalls mein Eindruck.

Wo drückt noch der Schuh?
In diesem Jahr haben Unfälle stark zugenommen, die unter Alkoholeinfluss passierten. Von Januar bis Mai mussten wir schon 21 Unfälle unter Alkoholeinwirkung aufnehmen. Das ist zu viel. Auch Unfälle unter dem Einfluss von Drogen nehmen zu.

Es gibt viele Polizisten, die sich darüber beschweren, dass Bürger mit ihnen respektlos umgehen.
Ja. Beleidigungen haben stark zugenommen. Da wird nicht immer der einzelne Beamte oder die Beamtin gesehen, sondern da ist häufig wohl die Institution Polizei gemeint. Was die Sache natürlich nicht besser macht. Unsere Kolleginnen müssen sich teilweise böse sexuelle Beleidigungen anhören.

Die Polizei klagt bundesweit über die anfallenden Überstunden. Wie sieht es in Witten aus? Jeder Beamter hat bei uns derzeit im Schnitt 60 Überstunden auf seinem Konto. Es waren in der Vergangenheit auch schon mal 80. Vier bis fünf Beamte mehr in Witten könnten das ein wenig auffangen. Denn: Rund 1450 bis 1500 Stunden im Jahr steht ein Beamter für den Wachdienst jährlich zur Verfügung – Urlaub, Krankheit, Fortbildung abgerechnet. Unsere Arbeitszeitverordnung schreibt vor, dass Beamte des Wachdienstes mindestens ein freies Wochenende im Monat bekommen müssen. Ich glaube, bei guter Planung geht das auch. Vielleicht klappt es auch dann und wann mit zwei freien Wochenenden. Auch und gerade an den Wochenenden würde uns natürlich mehr Personal helfen.

Wird es das geben? Die Landesregierung will in diesem Jahr 2000 neue Kommissar-Anwärter und
-Anwärterinnen einstellen, die nach Abschluss der Ausbildung im Streifendienst eingesetzt werden. In der Regel bekommt das Polizeipräsidium Bochum ungefähr fünf Prozent vom neu eingestellten Personal. Der Weggang unserer Pensionäre würde damit ausgeglichen.

Wie groß ist Ihr derzeitiges Team?
Wir haben hier 100 Beamtinnen und Beamte. Da ist der Streifendienst dabei, außerdem ein ziviler Einsatztrupp, der sich vorrangig um die Straßenkriminalität kümmert. Darüber hinaus haben wir hier eine Führungsstelle und einen Bezirksdienst, sozusagen die Dorfsheriffs. Wir haben in Witten zehn Bezirksbeamte und einen Schwerpunktdienst, bestehend aus derzeit 13 Beamtinnen und Beamten. In Witten versehen weitere 13 Kripobeamte ihren Dienst, die aber dem Bochumer Polizeipräsidium unterstellt sind. Übrigens: Rund 25 Prozent unserer Bediensteten sind Frauen. Eine Hundestaffel gibt es im Polizeipräsidium Bochum und kann bei Bedarf angefordert werden.

Wie sind die Belastungen durch jahrelangen Wechseldienst?
Der Wechseldienst ist sicherlich abträglich für die Gesundheit, die innere Uhr, der Schlafrhythmus werden gestört. Es gibt angenehmere und gesündere Dienstzeiten.

Es gibt zehn Bezirksbeamte in Witten, aber man hat den Eindruck, man sieht sie selten auf der Straße.
Witten ist 74 Quadratkilometer groß! Bis manche Polizisten ihre Bezirke einmal vollständig abgelaufen haben, brauchen sie teilweise Wochen. Ich hätte gerne mehr Bezirksbeamte. Aber es gibt da eine vom Innenministerium vorgeschriebene Quote: Ein Bezirksbeamter auf 10 000 Einwohner. Das haben wir hier in Witten erreicht. Aber: Wir haben hier auch nur zwei Beamte, die mit dem Rad unterwegs sind. Ich würde gerne mehr Radfahrer auf Streife schicken, aber es müssen auch unsere Streifenwagen besetzt werden. Das hat Vorrang.