Witten. . In Vormholz filmte eine Wildkamera, wie ein Waschbär genüsslich ein Vogelhäuschen plündert. Das kleine Raubtier ist im EN-Kreis längst heimisch.
Vor 16 Jahren wurde der erste Waschbär in Witten entdeckt. „An der Stadtgrenze zu Herdecke, am Kermelberg“, erinnert sich Bernd-Dieter Epp von der Wittener Jägerschaft. Längst haben sich die niedlichen, aber nicht ungefährlichen Räuber im Wittener Süden ausgebreitet. In Vormholz filmte nun eine Wildkamera einen Bären beim gemütlichen Futtergelage in einem Vogelhäuschen.
Harald Hallwas traute seinen Augen nicht, als er am Wochenende die Videosequenzen, die seine Wildkamera nachts aufgezeichnet hatte, anschaute. „Erst dachte ich, das sei eine Katze. Dann kam der dicke Po ins Bild und der geringelte Schwanz.“ Der kleine Bär vollbringt wahre Kunststücke – er klettert mühelos Alustangen hoch, zwängt sich durch einen Stachelkranz, der Katzen, Marder, Krähen den Zutritt zur Futterschale verwehren soll. Die Aufzeichnung zeigt den Bären entspannt auf dem Rücken in der Futterschale liegend Körner knabbern. Eine Stunde nach seinem Besuch kommt er wieder, um das Wellensittichfutter komplett leer zu fressen.
Harald Hallwas füttert in seinem Reihenhausgarten ganzjährig Vögel, denn er hat viel Freude daran, Grünfinken, Buntspechte oder Meisen zu beobachten. So lustig die Aufzeichnungen auch sind: Der 72-jährige Vormholzer möchte seine Nachbarn warnen. Die nachtaktiven Raubtiere schreckt so schnell nichts – sie gehen durch Katzenklappen, um den Napf der Hauskatze leer zu schlecken. Sie schieben Dachpfannen beiseite, um sich in der Dämmung ein Bett zu bauen. Sie klappen Mülldeckel auf, können auch Kleinsäuger oder Vögel töten, selbst ein Hund hätte wohl ein Nachsehen. „Das ist kein Streicheltier. Die können gut zubeißen.“
Hallwas wohnt in einer Seitenstraße des Vormholzer Rings, der Wald ist zwar nah, doch vorwiegend herrscht hier Wohnbebauung. „Das ist nicht ungewöhnlich. In Hausgärten finden die Tiere gut Futter, etwa im Komposthaufen“, sagt Stadtförster Klaus Peter.
Waschbären leben auf Bäumen
Wie viele Waschbären es in Witten gibt, vermag er nicht zu schätzen. „Ich glaube, dass ihr Bestand in den letzten Jahren etwas zugenommen hat.“ Bislang kommen sie nur im waldreichen Wittener Süden vor. Denn Waschbären leben auf Bäumen, mitunter als Familie, gehen nachts aber allein auf die Jagd.
Von Nordamerika nach Deutschland
Der Waschbär stammt aus Nordamerika. 1934 wurden am Edersee in Hessen zwei Waschbären mit Migrationshintergrund freigelassen, um die Natur zu bereichern – oder auch um neue Jagdziele zu haben. Andere Tiere entkamen später aus Pelzzuchtfarmen in Hessen, Brandenburg und der Eifel. Die Folge: Vor allem in Hessen, im Sauerland und in Ostwestfalen sind Waschbären heimisch.
Aus dem Paar vom Edersee und den Pelzfarm-Flüchtlingen wurden heute 500 000 Waschbären in Deutschland. Der Waschbär darf gejagt werden in NRW, etwa 8000 werden jährlich erlegt.
Andersherum dürfen Waschbären auch gejagt werden. „Sie müssen sogar“, sagt Hans-Jürgen Müller vom Herbeder Hegering. „Sie breiten sich leider Gottes relativ schnell aus.“ In 2015 wurden im Ennepe-Ruhr-Kreis 48 Waschbären erschossen, zwölf starben im Straßenverkehr, so die Untere Jagdbehörde.
Hammertal galt als „Waschbärenhochburg“
Andreas Becker ist zuständig für die Jagd in Herbeder Wäldern: „Als Waschbärenhochburg galten immer Kämpen und das Hammertal. Aber in den letzten beiden Jahren wurden dort keine mehr gesehen.“ Wer Probleme mit Waschbären hat, kann sich über die Polizei oder die Feuerwehr an ihn wenden.
Förster Klaus Peter sieht das nicht so eng: „Die tun doch nichts.“ Bislang sei kein Fall bekannt, wo ein Waschbär ein Kaninchen oder ähnliche Tiere angegriffen hätte. Zwei „Vorkommnisse“ sind ihm im Gedächtnis geblieben: In Bommern ging ein Waschbär stets durch die Katzenklappe in den Keller und fraß sich dort durch. Ebenfalls in Bommern buddelte ein Bär stets Pflanzen aus einem Teich aus – weil an deren Wurzeln so leckere Schnecken hingen. Auch wenn die Besitzerin die Pflanzen wieder einpflanzte – sie waren am nächsten Morgen erneut draußen. Sollte man etwa Mülltonnen besser sichern? Er winkt ab. „Die sind so schlau, die kriegen alles auf.“