Sie kommen und bringen buntes Kirmestreiben in die Stadt. Und nach ein paar Tagen sind sie spurlos verschwunden. Für die Schausteller hat die Hochsaison wieder begonnen. Sie ziehen wie eh und je mit ihren Fahrgeschäften, Buden, Kind und Kegel von einem Platz zum anderen. Auch bei uns heißt es am Donnerstag wieder: Entenangeln, Autoscooter – der Rummel ruft! Ein Blick hinter die Kulissen einer eigenen Welt.
Heiner Aufermann (49) ist einer derjenigen, die mit dem Budenzauber ihr Geld verdienen. Er gehört zur großen Schausteller-Familie der Ruhrstadt. Sie sind zwar nicht alle miteinander verwandt – Aufermann, Bonner, Nowag und Lütge-Hetmann. Aber der Zusammenhalt ist sehr familiär. Sie haben immer in einer Reihe gestanden.
Heiner Aufermann ist Schausteller aus Leidenschaft. „Das wurde mir in die Wiege gelegt“, sagt er lachend. „Ich könnte mir nicht vorstellen, jemals etwas anderes zu machen. In einer Fabrik oder im Büro würde ich kaputtgehen.“ Und dabei ist der Beruf des Schaustellers keinesfalls ein unterhaltsames Wunschkonzert. Es gibt Höhen und Tiefen. Man darf nicht zimperlich und anspruchsvoll sein. Und ein Schausteller muss ein pragmatischer Allrounder sein: Schreiner, Schlosser, Elektriker, Kaufmann, Lkw-Fahrer, Diplomat, manchmal Polizist, auf jeden Fall aber Menschenkenner. „Manchmal schlagen zwei Herzen in meiner Brust“, meint Heiner Aufermann nachdenklich. „Es ist eine Art Hass-Liebe. Aber letzten Endes siegt dann doch immer meine Liebe zum Beruf.“
Selbstgemachte Pralinen
Angefangen hatte alles 1949 nach der Währungsreform und mit Opa Heinrich. Mit einem kleinen Laden an der Ruhrstraße und dem Schokoladenhaus Lütge auf dem zerbombten Berliner Platz. Da stand ein alter Kirmeswagen, alle Gebäude ringsum lagen in Schutt und Asche. „Dort verkauften die Großeltern selbst gemachte Pralinen und Süßkram“, erzählt Aufermann. Im Sommer wurde daraus eine Schießbude.
Bekannt sind die Aufermanns heute durch ihre beliebten Eis- und Crêpeswagen, den Schießstand, das Entenangeln und Dosenwerfen. Und natürlich die Glühwein-Scheune auf dem Weihnachtsmarkt.
Das Kirmesleben in der Ruhrstadt hat eine bewegte Zeit hinter sich. Gab es früher bis zu acht Jahrmärkte, gibt es heute nur noch drei große Events – das Frühlingsvolksfest, die Himmelfahrts- und Zwiebelkirmes.
Im Laufe der Jahrzehnte wechselten die Kirmesplätze in der Stadt. Daran kann sich Mutter Karin Aufermann (72) noch gut erinnern. „Direkt nach dem Krieg war die erste Kirmes auf dem Humboldt- und dem Rosenkranzplatz. Später dann am Viehmarkt und dem benachbarten Alexanderplatz. Da stehen jetzt die Husemannhalle und die Realschule. Von dort ging es für lange Jahre auf den staubigen Platz an der Schleiermacherstraße.“
Wechselnde Kirmesplätze
Optimal für die Schausteller war der Platz der Gedächtniskirche und der Rathausvorplatz. Doch als die Einfahrt der Tiefgarage verlegt wurde, mussten die Kirmesleute weiterziehen, zum heutigen Standort zwischen Sparkasse und Saalbau.
Das Leben der Schausteller hat sich verändert. Die Fahrgeschäfte und Zugmaschinen sind größer und schwerer geworden, die Vorschriften und Kontrollen umfangreicher. „Egal, wo du hinfährst – Feuerwehr, Ordnungsamt, die Gesundheitsbehörden und die Berufsgenossenschaft sind zur Stelle“, weiß Aufermann. Mindestlohn und Arbeitszeitbegrenzung machen den Schaustellern zusätzlich zu schaffen. „Breakdance oder Kesselflieger sind halt nicht in acht Stunden aufgebaut.“ Karin Aufermann erinnert sich an die Nachkriegszeit. „Wenn wir im Sauerland waren, halfen oft die Bauernburschen beim Aufbau. Und das Karussellfahren wurde mit Eiern, Brot und Äpfeln bezahlt.
Aber das Leben als fahrende Leute war damals verdammt hart. Das ist heute leichter. Die Wohnwagen sind moderner. Auf ihren Reisen hat die Familie Aufermann die wildesten Sachen erlebt – wüste Schlägereien, verlorene Kinder, Hochzeiten und sogar Taufen auf der Scooter-Platte. „Eigentlich sollte man das alles aufschreiben“, meint die 72-Jährige. „Vielleicht später einmal, wenn ich Zeit habe.“