Witten. . Wittener Unternehmen liefert Stellantriebe für 14 Flüssiggastanker. Die Steuerung muss bei arktischen wie auch tropischen Temperaturen funktionieren.

Wer Bratwurst vom Grill und kühle Getränke in der gleißender Sonne für eine Herausforderung hält, wurde am Donnerstagmorgen eines Besseren belehrt: Wirklich extremen äußeren Bedingungen müssen die innovativen Stellantriebe standhalten, die Pleiger Maschinenbau im Hammertal innerhalb der letzten zwei Jahre entwickelt hat. Die ersten Exemplare wurden gerade nach Norwegen ausgeliefert. Von dort aus werden sie als Teil einer Großarmatur für Flüssiggastanker nach Südkorea verschifft. Mit einer kleinen Feier auf dem Hof bedankte sich Geschäftsführer Dr. Markus Knop bei den Mitarbeitern „für eine grandiose Mannschaftsleistung“.

55 Grad Celsius minus und 45 Grad Celsius plus: Das sind die beiden Extreme, denen die Antriebe aus Witten gewachsen sein müssen und zwischen denen sie mit der immer gleichen Präzision und Sicherheit arbeiten müssen. Das ist beim Umschlag von verflüssigtem Erdgas (LNG) unbedingt erforderlich. Die Technik muss explosionsgeschützt funktionieren, und auch Salzwasser, das übers Deck schwappt, darf ihr nichts anhaben. Und es geht noch kälter: Das unter Hochdruck verdichtete Erdgas selbst, das durch die Leitungen gepumpt wird, hat eine Temperatur von 162 Grad Celsius minus.

Hochsee-Terminal am Polarkreis

Ab 2017 will Russland von der Halbinsel Yamal am Polarkreis (Nordwestsibirien) Flüssiggas nach Ostasien und Europa exportieren. Der Seeweg führt durch arktische Gewässer. 14 eisbrechende Arktik-Tanker, mit einer Kapazität von jeweils 172 600 Kubikmetern Flüssiggas, sind dafür derzeit auf der koreanischen Daewoo-Werft – der weltgrößten Werft – für ein internationales Reederei-Konsortium im Bau.

540 Kilo schwer: Zu den Stellantrieben gehören eine elektrohydraulische Power Unit (Bronze), ein hydraulischer Antrieb (darunter) und ein Federpaket (links).
540 Kilo schwer: Zu den Stellantrieben gehören eine elektrohydraulische Power Unit (Bronze), ein hydraulischer Antrieb (darunter) und ein Federpaket (links). © FUNKE Foto Services

An Bord eines jeden Tankers werden jeweils 14 Pleiger-Stellantriebe in sogenannten Emergency Shut Down Armaturen verbaut. Davon gibt es je fünf große an Back- und Steuerbord und noch vier weitere, etwas kleinere Stellantriebe. In einem Notfall – zum Beispiel wenn sich der Tanker von der Ladekante losreißt – müssen die Antriebe unter allen Umständen den Beladevorgang durch zuverlässiges Schließen der Armaturen stoppen können. Dafür sind sie auf extrem kälteresistenten („Cryogenic“) Absperrklappen eines anderen Zulieferers montiert. Pleiger fertigt nicht nur die Antriebe, sondern auch die dazu gehörenden kompletten Steuerschränke. Diese werden geschützt im Innern der Tanker installiert.

Auftragsvolumen: 6 Millionen Euro

Nach den Sicherheitsbestimmungen (u.a. des russischen Maritime Register of Shipping und der Klassifikationsgesellschaft Bureau Veritas) darf die Schließzeit nie unter 20 Sekunden fallen. Die Pleiger-Antriebe arbeiten mit einer elektrohydraulischen Steuerung. „Öl ist bei 55 Grad minus zäh wie Creme und bei 45 Grad plus flüssig wie Wasser“, beschreibt Projektleiter Jörg Karthaus die technische Herausforderung. Bisher regelten Hersteller dieses Problem, indem sie die Bedüsung manuell austauschten – dafür musste ein Mann raus aufs Deck. Pleiger löste das Problem jetzt durch eine Kombination aus der Fahrzeitregelung durch ein externes Steuerungsmodul und einem leistungsfähigen Federystem.

Diese intelligente Technik hat das Unternehmen jetzt zum Patent angemeldet. Außerdem hofft man natürlich auf Anschlussaufträge aus der ganzen Welt. Die Ausrüstung der 14 Tanker hat für Pleiger ein Volumen von 6 Millionen Euro.

Weltmarktführer bei Ventilsteuerungen

Die von Paul Pleiger 1925 gegründete Maschinenfabrik fertigte zunächst Armaturen für den Bergbau, später auch pneumatisch betriebene Pumpen. Die Pleiger Maschinenbau GmbH & Co. KG hat heute im Hammertal 170 Mitarbeiter. Die Schwesterfirmen für Elektronik, Kunststoffe, Laseroptik und Datenservice haben vor Ort 130 Beschäftigte. Weitere Produktionsstätten gibt es bei Hamburg und Kiel, in den USA, in Südkorea und in China.

Pleiger Maschinenbau liefert für den Schiffbau komplette Systeme für die Steuerung fernbetätigter Armaturen, beispielsweise für das Handling von Ballastwasser. Dazu gehören Stell- und Ventilantriebe sowie Tankmessanlagen und Automatisierungssysteme, die auf Spezial- und Sonderschiffen, Tankern, Container- und Kreuzfahrtschiffen installiert sind. Mehr als 6000 Schiffe wurden bisher mit Pleiger-Ventilsteuerungen ausgerüstet. Damit gehört Pleiger in diesem Segment zu den Weltmarktführern.