Witten. . Künstlerin Almut Rybarsch-Tarry gestaltet wohlgeformte Frauen. Auch der trinkfreudige Bacchus ist bei ihr weiblich. Ihre Werkstoffe sind Baumaterialien.

„Bildhauer. Bei dem Begriff denkt man gleich an Rodin, der mit Hammer und Meißel auf einen Marmorblock einkloppt“, meint Almut Rybarsch-Tarry.

Deshalb bevorzugt sie für sich den Begriff „freie Künstlerin“. Und betont: „Spezialisiert auf Kunst im öffentlichen Raum, Skulpturen, Objekte und Wandgestaltung.“ Denn obwohl auch sie Figuren schafft, baut sie auf, statt durch Abschlagen von Material Kern und Wesen eines Werks zu entblättern.

Anfangs war es meist Styropor, heute sind es vor allem Drahtgeflechte im Innern, die dann mit Spachtelmasse überzogen, geformt, geschliffen und lackiert werden, so dass sich die gewünschte menschliche oder mythologische Tierfigur ergibt. „Zunächst habe ich mit Materialien aus dem Baumarkt experimentiert, aber seit ich die Ardex-Produkte kenne, schwöre ich darauf. Sie sind zwar teurer, aber feinkörniger, modellierfreudiger und bekommen keine Risse“, schwört die 48-Jährige auf das Material aus ihrer Heimatstadt Witten.

Als Mystikfan gestaltet die Künstlerin auch Drachen

Denn dort, im ländlichen Kämpen, ist sie aufgewachsen, obwohl sie seit 1993 in Dortmund lebt. In der so kulturbunten wie rauen Nordstadt hat sie ihre Atelierwohnung. „Ich bin ein Pottkind. Egal, ob in Dortmund oder Sprockhövel, im Ruhrgebiet fühlt man sich frei, wird nicht so beäugt wie draußen auf dem Lande“, meint Almut Rybarsch-Tarry. Nach einer Ausbildung als Hörgeräteakustikerin in der Wittener Firma ihres Vaters Paul Rybarsch, der bekanntlich ebenfalls sehr kunstsinnig ist, lernte sie ihr heutiges Metier, das Beruf und Berufung ist, in der Werkstatt eines Dortmunder Objektdesigners. „Was Formen, Materialien und Farben anging, hat er mir sehr viel beigebracht. Und es hat mich bis heute geprägt“, meint die Künstlerin, die 1996 in die Freiberuflichkeit ging.

Viele Wittener kennen ihre Figur des Zwergenkönigs Goldemar an der Herbeder Meesmannstraße. Oder ihre farbenfrohen und formenreichen Skulpturen in Nachbarschaft des markanten Fachwerk-Gebäudes ihres väterlichen Betriebs im Johannisviertel. „Und weil ich Mystikfan bin, kreiere ich auch Drachen. Gerade die asiatischen, schlangenartigen finde ich faszinierend. Weniger die eher plumpen und übergewichtigen, wie man sie aus europäischen Sagen kennt,“ erzählt die Künstlerin, die inzwischen Kunden aus ganz Deutschland für ihre Innen- und Außenfiguren hat.

Im zarten Alter von acht Jahren mit großbusigen Frauenfiguren begonnen

„Und im zarten Alter von acht Jahren habe ich mit großbusigen Fimo-Knetfiguren angefangen. Das Faszinosum Frau ist bis heute geblieben“, beschreibt die 48-Jährige einen weiteren Schwerpunkt ihres Schaffens. Und fasst es noch mal konkreter: „Ich komme nicht aus dem Emanzenbereich und will Frauen auch nicht als erotisches Spieltier darstellen. Aber dennoch reizt mich das Spannungsfeld zwischen Feminismus und Sexismus.“ Daraus resultieren dann Figuren wie die „Frau Bacchus“ oder die „Salonlöwin“, nicht modelschön, sondern von eher anzüglicher Erotik, beide aus der Reihe „Frauen in Männerberufen“.

Ihre Liebe zur Kunst und Gestaltung gibt Rybarsch-Tarry auch in Kursen weiter. Etwa in der Reihe „Kultur macht stark“, die mit Förderung aus dem Bundesbildungsministerium bei eher kulturfernen Nordstadt-Jugendlichen die kreative Ader freilegen möchte. Derartige Förderung von Jugendlichen hält sie generell für wichtig: „Denn während meine Generation noch daheim mit den Eltern gebastelt hat, ist die Entwicklung heute schade bis besorgniserregend. Ich erlebe Kinder, die haben zu Hause nichtmal Filzstifte oder Wasserfarbe.“