Witten. . Klaus Lohmann wird heute (17.3.) 80 Jahre. Er arbeitete 13 Jahre unter Tage, bevor er in die Polik ging. Damit war er für Herbert Wehner genau richtig.

Altbürgermeister Klaus Lohmann feiert heute (17.3.) im Kreis von Freunden seinen 80. Geburtstag. Der Annener war – zusammengerechnet – 20 Jahre Bürgermeister von Witten und hat die Ruhrstadt 15 Jahre im Bundestag vertreten. Lohmann hat die jüngere Geschichte der Stadt miterlebt, mitgestaltet, miterlitten. Die WAZ blickte gemeinsam mit ihm zurück.

An die Kriegsgräuel in Witten hat Klaus Lohmann, der am 17. März 1936 als Sohn einer Hausfrau und eines Lehrers im Diakonissenhaus zur Welt kam, wenig eigene Erinnerung. 1942 an der (früheren) Rüdinghauser Grundschule eingeschult, verbrachte er die längste Zeit in der Kinderlandverschickung bei Lörrach. Von Annens Höhen aus erlebte er aber einen Luftangriff der Engländer auf den Rüstungsbetrieb Rheinmetall mit, der jedoch sein Ziel verfehlte und zahllose Bombentrichter im Salinger Feld hinterließ. Als die Amerikaner dann später von Stockum aus einzogen, tauchten sie zuvor das ganze Salinger Feld „in einen rosafarbenen Tarnnebel – als der sich verzogen hatte, standen sie auf einmal da“.

Fürs SPD-Parteihaus Steine gekopft

Die Jungsozialisten wurden seine politische Heimat. Mit zwölf trat Lohmann bei den Falken ein. Er war einer von vielen – zu einem Weltkongress der Jungsozialisten in Wien fuhren damals mehr als 100 Kinder aus Witten. Aufbauarbeit nahmen die Falken wörtlich. „Wir haben in den Trümmern Steine geklopft für das Parteihaus an der Annenstraße 8.“ Dort hat die Wittener SPD noch heute ihren Sitz. Witten war in den Fünfzigern eine Arbeiter- und eine SPD-Stadt. „In der Spitze gab es hier damals 10 000 Stahlarbeiter und 10 000 Bergleute“, sagt Klaus Lohmann. Und bei den Ratswahlen räumte die SPD bis zu 65 Prozent ab. Ihre absolute Mehrheit sollte sie erst 1999 verlieren.

Lohmann wurde selbst Bergmann. Bei einem Ausflug des Ruhrgymnasiums zur Zeche Mansfeld in Bochum hat ihn „die Zeche sofort fasziniert“. Während die Klassenkameraden dankend abwinkten, war für ihn klar: „Nein, ich höre auf mit dem Gymnasium, ich fange da an!“ Gesagt, getan. Er ging auf die Bergbauschule, machte seinen Bergingenieur, arbeitete 13 Jahre unter Tage – zuletzt als Grubensteiger auf Minister Achenbach in Lünen-Brambauer. Das waren die wenigen Jahre, in denen er nicht in Annen lebte. „Selbstverständlich“ war er sofort in die IGBCE eingetreten, längst hat er dort seine 60 Jahre voll.

Sein neun Jahre älterer Halbbruder Karl Garbe, bei der SPD schon in höheren Würden, holte den Bergmann zurück ans Tageslicht und steckte ihn 1965 in eine Kaderschulung für den hauptamtlichen SPD-Nachwuchs, die sich Herbert Wehner ausgedacht hatte. Ein Bewerber aus dem Bergbau kam „Onkel Herbert“ gerade recht: „Er war unter Tage? Dann ist er ja vernünftig, dann haben wir ja einen, der arbeiten kann“, sagte er über Lohmann.

1978 zum ersten Mal Bürgermeister

Der Wittener fing als hauptamtlicher Geschäftsführer (1966 bis 1975) an. Und fortan flogen ihm die politischen Ämter nur so zu: Juso-Vorsitzender (66-69), Ortsvereinsvorsitzender von Hüllberg (1969 bis heute), Ratsmitglied, Kreistagsmitglied, Unterbezirksgeschäftsführer. 1978 bis 1983 war er zum ersten Mal Bürgermeister, 1989 bis 2004 zum zweiten Mal, das Ganze teils in Überlappung mit dem Bundestagsmandat (1983 bis 1998) in vier Wahlperioden.

Ohne persönlichen Ehrgeiz und ein Kämpferherz wäre er sicherlich nicht so weit gekommen. Manches Mal sprang Lohmann aber auch einfach in die Bresche, 1989 zum Beispiel, als Amtsvorgänger Friedhelm Trepper – enttäuscht über mangelnde Unterstützung aus der SPD – das Handtuch warf.

Uni Witten

„Ich habe gute und schlechte Zeiten erlebt“, sagt Lohmann zu seiner politischen Bilanz. „Stolz“ ist er darauf, dass die Uni Witten 1982 gegründet wurde. Er habe Konrad Schilys Idee damals nach Kräften unterstützt. „Jede Menge Widerstände“ habe es gegen eine Privatuni gegeben – gerade aus der SPD. Auch die Sanierung von Haus Herbede ab 1985 und den Neubau von Haus Witten ab 1992 sieht er klar auf der Habenseite.

Rathausanbau

Der Bürgerentscheid, der den Rathausanbau Mitte der 90er Jahre zum Fallen gebracht hat, war für Lohmann eine klare Niederlage. Am historischen Standort hätte dieser den Platz doch eingefasst wie eine italienische Piazza. Ein eigener „Fehler“ wäre zudem vermeidbar gewesen: Mit einem sofortigen Bebauungsplan hätte die Politik den Siegerentwurf schließlich rechtzeitig durchsetzen können. Das Celestian-Haus sei aber nicht, wie manche behaupteten, „Lohmanns Rache“ – der Entwurf habe in der Fachjury damals alle überzeugt.

Über die Verhältnisse gelebt?

Hat Witten nach der Blüte in den Sechzigern nicht über seine Verhältnisse gelebt, mit der Folge, dass Schulen und Straßen verschlissen wurden und dass die Stadt seit 1991 in tiefroten Zahlen steckt? Und ist nicht die SPD, die das Sagen hatte, hauptverantwortlich dafür?

Strukturwandel

Lohmann bestreitet das. „Es gab keine Vergeudung!“ Der Strukturwandel im Bergbau und beim Stahl habe alle Städte hart getroffen. Witten habe aber auch vieles richtig gemacht – Gewerbegebiete im Wullen und im Salinger Feld ausgewiesen, auf Dienstleistungen und Wissenschaft (Uni) gesetzt. Siemens habe doch 10 000 Arbeitsplätze schaffen wollen. Es wurden 3000 – und die sind schon wieder Geschichte.

Hätte die Stadtverwaltung nicht nach der Eingemeindung Herbedes stärker Personal abbauen müssen? Heute würde man da „vielleicht rigoroser herangehen“, meint Lohmann. „Aber im öffentlichen Dienst sind doch keine Entlassungen möglich.“ Er fügt hinzu: „Und die Herbeder waren ja ohnehin stinksauer.“

Spaltung der SPD

Die Spaltung und Selbstzerfleischung der SPD in den letzten Jahren – trägt Leidemann-Förderer Lohmann daran eine Mitschuld? „Nein“, sagt er. Dafür seien die verantwortlich, die den Mitgliederentscheid zur Bürgermeisterfrage verhindert und dann auch noch ein Ausschlussverfahren angestoßen hätten. Aus seinem Ortsverein Hüllberg waren aus Protest gegen Lohmann auf einen Schlag 14 Mitglieder ausgetreten. „Wer raus geht, der geht raus“, weint er ihnen offenbar nicht nach. Dafür habe es Neuaufnahmen aus anderen OVs gegeben. „Wir haben 145 Mitglieder und Zulauf. Der Ortsverein ist intakt.“

Viele Interessen

Lohmann sammelt Hüte und Kopfbedeckungen – 200 vom Bettelhut bis zum Indianerschmuck sind es inzwischen.

Mehr als 45 Vereinen oder Verbänden gehört er heute noch an. Er ist Vorsitzender des Stadtsportverbands, der SU Annen, des Verkehrsvereins, des Fördervereins Bergbauhistor. Stätten.

Vor allem für Wittens Städtepartnerschaften setzt der Präsident des Partnerschaftsvereins sich weiter ein. Regelmäßig fährt er mit einem Mitstreiter nach Mallnitz, um dort die vier Hütten in Schuss zu halten.