Wurde das Pechstein-Bild in Wittens Museum dem jüdischen Galeristen Flechtheim von den Nazis entzogen? Gutachten sagt: nein, Erben-Anwalt ist erbost.
Das Ringen um das 1,5 Millionen Euro teure Gemälde „Zirkusreiter“ des Expressionisten Max Pechstein, das sich im Besitz des Märkischen Museums befindet, dürfte eine ganze Zeit lang weitergehen.
Zwar kam die Kölner Kunstexpertin Dr. Katja Terlau in ihrem Nachforschungsgutachten, das sie jetzt in der Verwaltungsratssitzung des Kulturforums vorstellte, zu dem Schluss, dass das Bild dem jüdischen Kunsthändler Alfred Flechtheim in der Nazizeit nicht entzogen worden sei.
Doch der Anwalt der auf die Herausgabe drängenden amerikanischen Flechtheim-Erben, der Marburger Jurist Markus Stötzel, dem das Gutachten ebenfalls vorliegt, findet im Donnerstagmorgen beim Kulturforum eingegangenen Antwortschreiben harte Worte: „Aus der Perspektive eines seit beinahe 20 Jahren mit dem Thema Nazi-Raubkunst und Restitution befassten Experten ist die vorliegende Arbeit, ich bedaure, dies so deutlich sagen zu müssen, als absolut wertlos zu betrachten!“
Terlau stützt ihre Einschätzung auf mehrere Punkte. Das Pechstein-Gemälde sei um 1921 entstanden. Es gebe jedoch keinen Hinweis, dass es sich zur Nazizeit in den Händen von Alfred Flechtheim (1878 - 1937) befunden habe, der 1933 aus Deutschland floh. Zudem habe der Kunsthändler viele Bilder nur in Kommission, also nicht im Eigenbesitz, sondern im Verkaufsauftrag anderer Eigentümer in seiner Galerie gehabt. Und weil er Geld verdienen wollte, habe er sie dann so schnell wie möglich verkauft.
Anwalt meint: Gutachten ist „hochspekulativ, unwissenschaftlich, tendenziös“
Und gerade Max Pechsteins Bilder seien in den 1920er Jahren „weggegangen wie warme Semmel“, so Terlau. Außerdem sei nicht gesichert, ob die beiden Aufkleber der Galerie Flechtheim auf dem Keilrahmen, also der Rückseite der „Zirkusreiter“, bereits ursprünglich aufgebracht und für dieses Gemälde bestimmt waren. Denn die auf den Etiketten notierten Nummern ließen sich bislang in keinen Unterlagen der Galerie nachweisen.
Welchen – vielleicht anderen jüdischen – Besitzer das Bild hatte, durch wen es etwa 1935 in die Berliner Galerie Nierendorf und dann in den Besitz des Hagener Sammlers Dr. Hanns Hülsberg kam, der es 1956 an das Wittener Museum verkaufte, ist nach heutiger Dokumentenlage schwer nachvollziehbar. Es bestehe in den 1920er/30er Jahren eine Nachweislücke von 15 bis 17 Jahren, gesteht Terlau ein.
Dass die Flechtheim-Etiketten erst später auf den Keilrahmen aufgebracht wurden, hält Stötzel für „hochspekulativ, unwissenschaftlich und tendenziös.“ Der Anwalt meint: „Warum sollte jemand das getan haben?“
Bei der nächsten Kulturforumssitzung soll auf Grundlage des Terlau-Gutachtens und der Stötzel-Antwort das weitere Vorgehen beraten werden.