Witten. . Die Pfarrei „Heiligste Dreifaltigkeit“ befindet sich mitten im Umbruch. Was Gemeindereferent, Diakon und zwei Pfarrgemeinderatsmitglieder dazu sagen.

Dass Kirche sich wandelt, wer wüsste das besser als die Katholiken in Annen, Rüdinghausen und Stockum. Vor Jahren schon wurden die Gemeinden zum Pastoralverbund Witten-Ost zusammengefasst, seit Anfang des Jahres nun sind sie die Pfarrei „Heiligste Dreifaltigkeit“. Ein Umbruch mit Folgen, positiven wie negativen.

„Anfangs war ich total gegen diesen Weg“, sagt zum Beispiel Gemeindereferent Dieter Fender. Denn sein Arbeitsfeld habe sich plötzlich verdreifacht, „wer mag das schon gerne“. Doch dann stellte der 58-Jährige fest: „Der Blick weitete sich, man kam raus aus dieser Wohnzimmerkirche. Was in Annen nicht möglich war, klappte woanders.“ Kulturell etwa seien die Stockumer sehr aktiv, auch die Ökumene werde dort intensiv gelebt. „Und es gibt viele Leute, die bereit sind, anzupacken. Das liegt am dörflichen Charakter“, ergänzt Vanessa Rittel. Die 26-Jährige, die gerade die Uni hinter sich und das Referendariat vor sich hat, ist Vorsitzende des Pfarrgemeinderates und wohnt selbst in Wittens nördlichstem Stadtteil. Außerdem ist sie Mitglied im Jungen Chor Kinereth in St. Pius. Dort, in Rüdinghausen, stecke man viel Power in die musische Arbeit und in die Jugend.

„Jede Gemeinde will doch als Individuum wahrgenommen werden“, bestätigt Norbert Pieofke (58). Der Annener ist Lehrer am Berufskolleg und seit letztem Jahr Diakon – „aus Berufung“. Trotz der anstehenden Veränderungen das eigene Profil zu behalten – das widerspreche sich nicht, so Fender. Ohnehin machen die drei Gemeinden über Jahre vieles gemeinsam, seien fast wie „Drillinge“.

Keine Frauengemeinschaft in Annen

Doch dass es längst nur einen Pfarrgemeinderat, bald nur noch einen gemeinsamen Kirchenvorstand, nur noch ein Pfarrbüro und nicht mehr überall einen eigenen Pfarrer gibt – daran habe mancher zu knacken. „Die Kirche versucht jetzt, das Ruder herumzureißen, aber die Schafherde kommt nicht so schnell hinterher“, sagt Pfarrgemeinderatsmitglied Gerhard Gras (59), der in Stockum als Rechtsanwalt praktiziert. Trotzdem glaube er, dass die Mehrheit den neuen Weg auf Dauer mitgehen wird – „wenn auch vielleicht murrend“.

Denn: „Der Pfarrer, seine persönliche Ansprache, die Messe – das ist für viele das Wichtigste“, so Gras. Dass es in Annen, wo Kirche eher auf Traditionen hält, keine Frauengemeinschaft mehr gibt, „das tut den Betroffenen schon weh“, weiß Dieter Fender. „Die kennen Kirche ja nicht anders und haben gedacht, das geht immer so weiter.“ Dass nicht mehr jeden Sonntagmorgen überall gleichzeitig die Eucharistie gefeiert wird – auch daran müssten sich die Menschen gewöhnen. Schwierig, wenn sie jetzt schon anfragen, wo 2016 Weihnachtsgottesdienste stattfinden, wie der Gemeindereferent erfahren hat.

„Gott ist nur noch eine Worthülse“

Doch wirklich Sorgen machen ihm, „jenseits der strukturellen Geschichte“, ganz andere Dinge: „Dass man nicht mehr weiß, wie man von Gott reden kann. Das ist nur noch eine Worthülse.“ Genauso, wie die Erstkommunion zum „religiösen Alphabetisierungskurs“ verkomme: „Da können Sie die einfachsten Dinge, Gebete etwa, nicht mehr voraussetzen.“ Gemeinde, so Fender, sei „kein Freizeitprojekt“. Und Gott keiner, zu dem man nur kommt, wenn’s einem schlecht geht. „Der Glaube ist unsere Basis.“ Sich in der Gemeinde einfach wohlzufühlen, sagt Vanessa Rittel, biete aber auch nicht die schlechteste Grundlage.

Fakten zur Pfarrei

Seit dem 1. Januar ist der Pastoralverbund Witten-Ost unter dem selbst gewählten Namen „Heiligste Dreifaltigkeit“ zu einer Pfarrei vereint. Dazu gehören die ehemaligen Gemeinden St. Joseph in Annen mit etwa 5000 Mitgliedern, St. Pius in Rüdinghausen mit knapp 3000 und St. Maximilian Kolbe mit knapp 2000 Mitgliedern.

Die Umbenennung, die mit Blick auf die zukünftige Neustrukturierung des pastoralen Raums in Witten erfolgte, habe zunächst lediglich verwaltungstechnische Gründe, so Friedrich Barkey, der den Pastoralverbund Witten-Ost leitete und die jetzige Pfarrei vorerst weiter verwaltet. Seit dem 1. Februar ist Barkey nicht mehr Pfarrer in Annen, sondern in St. Marien. Für die Stelle in St. Joseph soll es einen Nachfolger geben, noch ist nicht klar, wer das sein wird. Gemeindereferent Dieter Fender: „Wir warten auf eine Entscheidung.“

2013 haben die drei Gemeinden bereits einen Gesamt-Pfarrgemeinderat gewählt, am 12. und 13. März erfolgt die Wahl eines Kirchenvorstands. „Klar, keiner gibt gern ab, was er selbst mal hatte. Aber viele denken, dass solche Veränderungen, die sie vielleicht zunächst als Nachteil sehen, mit der Zusammenlegung der Gemeinden zu tun haben“, sagt Fender. Er sieht es auch als gesellschaftliche Entwicklung. „Das Schlimmste wäre, wenn alles immer gleich bliebe.“