Witten. . Die neue Gruppe bei Facebook hat regen Zulauf. Polizei betrachtet Entwicklung wachsam. Bürgermeisterin Sonja Leidemann betont: Witten ist sicher.

Eine „Bürgerwehr“ will Witten sicherer machen. Eine entsprechende Gruppe ging jetzt auf Facebook online – und hatte bald über 1000 Mitglieder. Am Donnerstag wurde dann der Name der Gruppe geändert: Statt „Bürgerwehr Witten“ heißt sie nun „Gemeinsam gegen Gewalt an unseren Frauen und Kinder“. Zudem wurde der offene Zugang gesperrt: Wer Mitglied sein will, muss dies erste beantragen.

Was die Gruppe will? Auf Nachfragen der Redaktion gab es gestern keine Antwort. Aber dies steht auf Facebook: „Hier schaut niemand weg, wenn die Regierung ihre Politik nicht in den Griff bekommt! Und unsere deutschen Bürger nicht schützen kann! Die Innere Sicherheit ist nicht mehr gewährleistet durch zu unkontrollierten Zustrom massenhafter Flüchtlinge“, heißt es wörtlich. Die Gruppe ordnet sich weder als „rechts“ noch „links“ ein. „Einfach nur stinknormale Bürger, die mal ihren Unmut kundtunwollen und nichts mit Rechtsradikalismus zutun hat!!!“

Die Polizei betrachtet das Treiben mit einem „äußerst wachsamen Auge“, wie Sprecher Volker Schütte betont. Bislang habe sich die Bürgerwehr zwar nur in den sozialen Netzwerken gebildet. Dennoch betont Schütte: „Das Gewaltmonopol und damit die legitimierte Kompetenz liegt eindeutig und nur bei der Polizei.“ Es dürfe nicht dazu kommen, dass Bürger versuchen, eigenmächtig für Recht und Ordnung zu sorgen – das sei zu gefährlich für den Einzelnen. „Ferner muss mit Entschiedenheit verhindert werden, dass sich Parallelgesellschaften bei uns bilden.“ Darüber hinaus bestehe natürlich auch die Gefahr, dass Menschen für Ziele instrumentalisiert werden, die sie selbst gar nicht so verfolgen.

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Die Polizei hofft auf „couragierte Bürger, die ein wachsames Auge auf unser Umfeld haben“ – und bei verdächtigen Beobachtungen unverzüglich unter „110“ verständigen. „So werden wir gemeinsam für die Sicherheit in Witten sorgen.“

Bürgermeisterin Sonja Leidemann betont ebenfalls, dass Witten eine Bürgerwehr weder brauche noch wolle. „Wir haben keine No-Go-Areas in der Stadt!“ Witten sei auch „sehr, sehr sicher“ – auch was Sexualdelikte und Raub angeht. Ordnungsamt, Gericht und Polizei würden eng zusammenarbeiten und sich austauschen. „Und wir wissen: Die Mitglieder der Bürgerwehr sind einschlägig bekannt.“

Doch auch das betont die Bürgermeisterin: Die Stadt nehme die Sorgen der Bevölkerung sehr ernst – habe das auch auf Landesebene schon vor Wochen angemahnt. Leidemann: „Aber wenn man die Hetzkommentare vom rechten Rand liest – so etwas geht einfach nicht. Da sage ich: Wehret den Anfängen!“ Bislang sei Witten für sein „sehr gutes bürgerschaftliches Engagement“ bekannt. Das solle auch so bleiben: „Unsere erste Zielsetzung muss Integration sein.“

„Brauchen keine Selbstjustiz“

SPD-Stadtverbandsvorsitzender Ralf Kapschack lehnt die Bürgerwehr gleichfalls ab. „Wir haben einen funktionierenden Rechtsstaat. Da brauchen wir keine Selbstjustiz. Die Ereignisse der letzten Wochen geben keinen Anlass, an der Arbeit von Polizei und Justiz zu zweifeln“, sagt der Politiker. Mit ganz großer Sorgen betrachtet Pressesprecher Christian Schuh vom Roten Kreuz die Entwicklungen: Er fürchtet um die Sicherheit der Flüchtlinge.

Die Gründung einer Wittener Bürgerwehr bei Facebook sorgt für Aufruhr. „Als Wittener Bürger nehme ich so etwas mit Sorge wahr“, sagt Christian Schuh, Pressesprecher beim DRK-Witten.

Mit dem Roten Kreuz ist er direkt in die Flüchtlingshilfe in der Stadt involviert. Er sagt, dass in den letzten Monaten viele Freundschaften entstanden und zahlreiche Flüchtlinge deshalb gut vernetzt seien. Sie bekommen die Geschehnisse bei Facebook mit. „Der eine oder andere ist schon besorgt. Das Ganze wirkt sehr bedrohlich“, sagt Schuh, der allerdings ergänzt: „Es gibt hier Ansprechpartner für die Flüchtlinge, mit denen sie über das Thema sprechen können.“

In einem falschen Licht

Besonders ärgert Schuh, dass Witten damit in ein falsches Licht gerückt werden könnte. Denn es sei weder so, dass sich die Flüchtlinge in der Ruhrstadt etwas hätten zuschulden kommen lassen, noch dass die Bürger ihnen gegenüber besonders kritisch eingestellt wären. „Die Erfahrungen, die wir in Witten gemacht haben, sind herausragend. Das betrifft das Ausmaß der Hilfe, als auch das, was wir von den Menschen, die hier her gekommen sind, zurückbekommen haben“, so Schuh. Für ihn ist deshalb klar: „Man muss in unserer Stadt keine Angst haben.“

Wittens CDU-Chef Ulrich Oberste-Padtberg bemerkt, man müsse aufpassen, dass sich solche Bewegungen wie in der Facebook-Gruppe nicht verselbstständigen. Er gibt aber auch zu bedenken: „Es ist unsere dringende Aufgabe, die Sorgen der Menschen ernstzunehmen und uns mit der inneren Sicherheit in der Stadt zu befassen. Eine Bürgerwehr zu gründen ist allerdings kein akzeptabler Vorgang.“

Der CDU-Vorsitzende glaubt, dass die wachsenden Sorgen in der Bevölkerung dafür verantwortlich sind, dass eine solche Bürgerwehr-Bewegung bei Facebook auf fruchtbaren Boden fällt: „Die Radikalen setzen auf Themen, mit denen sie auf unzufriedene Protestwähler treffen, missbrauchen die berechtigten Sorgen der Bürger und besetzen damit eine politische Marktlücke.“