Witten. . Am Sonntag feiert die Ruhrbühne Witten ein großes Jubiläum: Der Theaterverein besteht dann 90 Jahre lang – und hat keine Nachwuchssorgen.

Seit über 20 Jahren gehören sie zur Ruhrbühne: Hans Weiß (67) und Martin Grunewald (44) stemmen nicht nur gemeinsam die Vorstandsarbeit. Sie schauspielern auch oder führen Regie. Ihr Hobby ist ihre Leidenschaft, sie können kaum aufhören, davon zu erzählen. Dabei ist es auch harte Arbeit. Denn das Gebäude, in das der Theaterverein 1999 zog, ist eine ewige Baustelle. „Aber das ist halt so bei 90-Jährigen“, sagt Hans Weiß mit einem Augenzwinkern – und meint damit eigentlich den Verein selbst, der seit 1926 dem Publikum in Witten treu geblieben ist – und umgekehrt.

Wer die ehemalige Waldorfschule am Crengeldanz betritt, der merkt: Es muffelt. „Ja, der Eingangsbereich ist sehr marode“, bestätigt Martin Grunewald und grinst: „Hier riecht jeder Raum anders.“ Der Kostümfundus nach Mottenkugeln, die Kulissenwerkstatt nach Holzspänen. Doch vor allem sei es die Feuchtigkeit, die dem Gebäude aus den 60er Jahren – und damit auch den Vereinsmitgliedern – zu schaffen macht. Denn sie wuppen das alles in Eigenarbeit und nur mit Spenden. „Hier ist die Glaswolle zwischen den Wänden zusammengesackt, der Kitt bröselte aus den Fensterrahmen“, beschreibt Hans Weiß die Situation. Raum für Raum werde isoliert. Die Rückfront sei gerade fertig. Jetzt geht’s an die Vorderseite, zu der eben auch der Eingang gehört. Von einem offenen Foyer träumen die Amateurschauspieler.

Das Neue Jahr beginnt mit einem alten Stück

Das Neue Jahr beginnt bei der Ruhrbühne mit einem bekannten Stück: Wegen der großen Nachfrage darf sich das Publikum noch einmal auf die „Landeier“ freuen. In der turbulenten Komödie von Frederik Holtkamp suchen Bauern Frauen. Zwei Aufführungen sind bereits ausverkauft.

Karten (12 Euro) gibt’s für den 29. Januar sowie den 5. und 6. Februar (Samstag mit Karnevals-Disko). Vorverkauf über www.ruhrbuehne-witten.de oder mittwochs von 19 bis 21 Uhr im Theatercafé (Bochumer Str. 10b) oder beim Stadtmarketing, Marktstr. 7. Weitere Info: 22254 (Hans Weiß).

Dafür haben sie jede Menge Platz hier. Und den brauchen sie auch, um all die Requisiten und Kostüme lagern zu können, die sich im Laufe der Zeit angesammelt haben. Zum Beispiel „schreckliche Stickbilder und röhrende Hirsche“, so Grunewald. Gebrauchen könne die Ruhrbühne vieles, was bei anderen im Keller lagert, aber nicht alles. „Wenn was Tolles, Ungewöhnliches dabei ist – immer her damit.“ Wie die „furchtbar hässliche Lederjacke aus den 80ern“, die Martin Grunewald heiß und innig liebt. Schwarze Anzüge dagegen oder weiße Hemden – „die haben wir zur Genüge“.

Für drei große Aufführungen pro Jahr brauchen sie all die Sachen. Ruhrpott-Komödien, Lustspiele, Thriller, Opern („aber auf unsere Art“, betont Weiß), Musiktheater: alles dabei. Zwei- bis viermal in der Woche treffen sich die Amateurschauspieler dann zu den Proben. 30 der knapp 90 Mitglieder gehören zum aktiven Ensemble. Bis vor zwei Jahren stand als Ältester Rudi Rust, der bald 93 wird, auf der Bühne: „Als Lottogewinner Erwin Lindemann im Loriot-Sketch ist der eine Legende“, erzählt Weiß. Das jüngste aktive Mitglied ist 14 Jahre alt und spielt in den aktuellen „Landeiern“ das Ferienkind. „Wir haben keine Nachwuchssorgen“, betonen Weiß und Grunewald stolz.

Familiäre Atmosphäre

Natürlich sei es manchmal schwierig, sich zu einigen, wer die nächste Hauptrolle bekommt. Aber „miteinander klarkommen und Rücksicht nehmen“, sagt Grunewald, das sei bei ihnen selbstverständlich. Die Besucher wiederum, die lieben die „familiäre Atmosphäre“ in der Ruhrbühne, deren Theatersaal gerade mal 100 Zuschauer fasst. Immer wieder bekämen die Schauspieler zu hören: „Bei euch merkt man, dass ihr Spaß habt“. Und keiner sei sich zu schade, Karten abzureißen oder in der Pause ein Bier zu zapfen.

Martin Grunewald, der im richtigen Leben Anästhesiepfleger im Bochumer Bergmannsheil ist, stand auch schon mit Fieber auf der Bühne. „Wenn die Leute lachen und klatschen, das ist einfach toll.“ Er liebe es, in Rollen zu schlüpfen, „die man in Wirklichkeit nicht ist“. Eine verschrobene Figur im Märchen etwa, oder ein schadenfroher Fiesling.

„Stell dich mal da hin“ – diese Aufforderung war es, die bei Hans Weiß das Theatervirus weckte – als er seine Frau von einer Probe abholte und sich unversehens auf der Bühne wiederfand. Früher leitete er die Ostermann-Gastronomie. Heute macht er „Theater zum Anfassen“. Das, sagt Weiß, „hätte ich mir nie träumen lassen“.

Zur Geschichte

Am 10. Januar 1926 wurde der Theaterverein unter dem Namen „Waldesrose Papenholz“ gegründet. Nach Kriegswirren, zahllosen Umzügen, der Umbenennung in Ruhrbühne Witten und dem Aufbau eines eigenen Theaters feiert der Verein nun sein 90-jähriges Bestehen am Sonntag, 10. Januar, ab 11Uhr mit einem Festakt für Mitglieder und Ehrengäste in den Räumen an der Bochumer Straße.

Anfangs traten die Amateurschauspieler in Gaststätten und Sälen auf. 1935, zur Zeit des Nationalsozialismus, musste der Verein seine Arbeit einstellen. 1948 suchte Alfred Haselhorst, ein treues Mitglied, nach seiner Rückkehr aus der französischen Gefangenschaft, Gleichgesinnte aus alten Zeiten zusammen, so dass der Spielbetrieb bald wieder aufgenommen werden konnte. Im Lokal „Wilhelm Zeller“ am Crengeldanz fand die Truppe ihre neue Heimat. Die erste Aufführung nach dem Krieg trug den Titel „Kerker und Freiheit“, der Eintritt betrug eine D-Mark.

Als 1975 der Saalbau eröffnete, gehörte er zur festen Spielstätte der Ruhrbühne. 1987 wechselte der Verein erneut die Räumlichkeiten und zog in die ehemalige Hauptschule Bommern. 1999 wurde dann endlich das eigene Theatergebäude am Crengeldanz Wirklichkeit. Einer der Höhepunkte im Vereinsleben: der Besuch der Partnerstadt Kursk 1997 mit Auftritten vor russischem Publikum.

Info: www.ruhrbuehne-witten.de