Witten. . Martin Theurer stammt aus einer musikalischen Familie. Als gefragter Jazzer spielte er auf Festivals von Berlin bis Tokio. Heute unterrichtet er.

Es war einmal ein kleiner Junge, der fand Geigespielen total uncool. Also legte er das klassischste aller Instrumente beiseite. Er konzentrierte sich stattdessen auf Klavier, Trompete, Schlagzeug und Orgel, und wurde einige Jahre später ein begnadeter Jazzer – ein Freejazzer, um genau zu sein.

Die Musik lag eigentlich schon in Martin Theurers Wiege: Sein Vater war Pastor, die Kirchenorgel war also in Reichweite. Seine Mama hätte gerne Musik studiert, erzählt der Wittener, „wenn nicht fünf Kinder dazwischen gekommen wären.“ Also wurde zuhause musiziert , „wir waren die typische Pfarrersfamilie, und wir Kinder der fünfstimmige Chor“.

Mit fünf begann Martin Theurer Blockflöte zu spielen, „das Klavier stand sowieso in der Wohnung, darauf habe ich als Kind schon geklimpert“. Und mit sieben stand dann besagte Geige auf dem Programm, „aber das ging Ende der Sechziger, Anfang der Siebziger überhaupt nicht“, so Theurer. Dem Klavier blieb er treu, der Orgel auch, „ein fantastisches Instrument“.

Er wurde immer besser, spielte in seiner ersten Band, und dann kam er zum ersten Mal in Kontakt mit improvisierter Jazzmusik. Und die haute ihn um. „In dieser Zeit, als auch Musik politisch war, hatte sie eine echte Sprengkraft“, so Theurer. Peter Kowald und Peter Brötzmann waren damals die Pioniere der freien Improvisation, Wuppertal war ihre Wiege.

Chick Corea und Herbie Hancock hört er besonders gern

Theurer erfand sich innerhalb dieser Musikrichtung selbst und spielte erst in regionalen Gruppen, bevor er auf Empfehlung des Berliner Pianisten Alexander von Schlippenbach eingeladen wurde, für die Berliner Free Music Production als Solist und später auch zusammen mit Paul Lovens und mit Alexander von Schlippenbach Musik einzuspielen.

Auf der Bühne zu stehen, ist für einen Vollblutmusiker wie Theurer natürlich das Größte. Aber das Unterrichten, seit mittlerweile 40 Jahren ebenso Teil seines Lebens, ist nicht nur ökonomische Pflichtübung – im Gegenteil: „Ich habe immer gerne unterrichtet.“ Seit 25 Jahren verhilft er nun schon seinen Schülern in der Wittener Musikschule zu ganz persönlichen Sternstunden. Einige von ihnen haben später Musik studiert , „das macht mich schon stolz“, so Theurer. Aber auch die kleinen Momente, wenn sich Schüler plötzlich anstecken ließen und selbst improvisierten, sorgten immer wieder für Gänsehaut.

Und seine ganz eigenen Musikhelden? „Vorbilder hatte ich eigentlich keine“, überlegt der 61-Jährige. „Ich habe extra bestimmte Musiker nicht gehört aus Angst, dann auch so zu klingen.“ Er wollte seinen eigenen Weg, seinen eigenen Klang finden. Aber natürlich gibt es Musiker, denen er immer schon gerne zugehört hat. Chick Corea zum Beispiel, dem berühmten amerikanischen Pianisten und Komponisten, und seinem Landsmann Herbie Hancock, der auf dem legendären Blue-Note-Label veröffentlicht hat.

Die Musikfotografie ist seine neue Leidenschaft

Mit dem Unterrichten möchte Martin Theurer so lange weitermachen, wie es geht, sagt er, „sonst würde ich etwas vermissen“. Auftritte habe es aus gesundheitlichen Gründen in den letzten zwei Jahren nicht so viele gegeben, „aber jetzt bin ich wieder fit“. Bei der „Soundtrips“-Reihe, bei der bekannte Musiker mit lokalen spielen, werde er wohl wieder mitmachen, und ebenso beim Jazzabend im Rahmen der „Extraschicht“. „Aber ich bin wählerisch geworden, ich brauche meine Leute auf der Bühne“, sagt Theurer.

Und er hat eine neue Leidenschaft entdeckt – die Musikfotografie. „Ich fotografiere schon länger, bisher vor allem Stillleben, aber vor etwa einem Dreivierteljahr habe ich angefangen, mit dem Blick des Musikers zu fotografieren.“ Da er wisse, wie es sei, auf der Bühne zu stehen, könne er die Atmosphäre, die Art der Musik und die Interaktion mit dem Publikum einfangen. Und ja, er könne sich vorstellen, diese Fotografien einmal auszustellen. Es ist also noch einiges zu erwarten von dem Wittener, dem als kleinem Jungen die Geige nicht gefiel.

Theurer unterrichtet auch an Bochumer Ruhr-Universität

Martin Theurer wurde 1954 bei Bielefeld geboren und wuchs in Wetter auf. Obwohl er den Wehrdienst verweigerte, wurde er dennoch eingezogen, erzählt er. „Das war nicht, was ich wollte, aber es war sehr lehrrreich.“ 1979 kam sein Soloalbum „Moon Mood“ heraus, das im Jazzmagazin „Jazz Podium“ als „ausgezeichnete Platte für Pianofans und Gegner von Marathon-Improvisationsetüden“ gelobt wurde. Einer seiner vielen Auftritte führte ihn auch zum „Traumzeit-Festival“ in Duisburg. Er unterrichtet in Witten und auch an der Ruhr-Uni Bochum.