Witten. . Vor einem Jahr kämpfte Louis im Marien-Hospital um sein Leben. Heute genießt die Familie die Festtage zu Hause in Witten-Heven.

Vor einem Jahr, da war alles ganz anders. Da verschwendeten Nadine und Sebastian Goralski keinen Gedanken an Weihnachten. Da galt ihre ganze Aufmerksamkeit einem winzigen Wesen: ihrem Sohn Louis, der im Brutkasten auf der Frühchenstation des Marien-Hospitals um sein Leben kämpfte. Sein Zwillingsbruder Levin, der bei der Geburt am 25. November gerade mal 242 Gramm wog, hatte diesen Kampf nach 21 Tagen bereits verloren. Deshalb wird dieser Heilige Abend für die jungen Eltern ein ganz besonderer sein: Sie feiern ihn erstmals als kleine Familie im eigenen Heim.

Inzwischen bringt Louis, der mit 460 Gramm auf die Welt kam und bereits am Herzen operiert werden musste, stolze sieben Kilo auf die Waage. Er „hat schon mehr Haare als Papa“ (was nicht so schwer ist, denn der trägt Glatze), zwei Zähnchen unten in der Mitte, verschmäht den Schnuller, lutscht nur selten am Daumen und schläft durch. Neulich bei der U6-Untersuchung, die bei Einjährigen ansteht, sei die Kinderärztin sehr zufrieden gewesen, sagt die Mama.

Robben klappt schon

Natürlich klappt’s noch nicht so gut mit der Motorik wie bei Gleichaltrigen, aber er werde mal ein ganz normaler Junge, habe ihm die Medizinerin bescheinigt. Krabbeln zum Beispiel, das ist noch nicht so Louis’ Ding, stattdessen überwindet er kurze Strecken ganz einfach robbend. Das Papier, in das seine Geburtstagsgeschenke eingewickelt waren, habe er aber selbst aufgerissen. Ein Teddy war drin, der ihn zum Krabbeln animieren soll. Und ein Babybuch, das er begeistert durchblättert.

„Die Frühförderung durch die Lebenshilfe hat viel, viel dazu beigetragen, dass Louis sich so prächtig entwickelt“, sagt Nadine Goralski. Eine Heilpädagogin, eine Physiotherapeutin und eine Osteopathin trainieren mit dem Kleinen. Von allein könne ein extremes Frühchen das nicht schaffen. „Und auch zuhause müssen wir immer am Ball bleiben.“ Manchmal sei das anstrengend, sagt die Mutter. Aber sie weiß auch: „Wir haben so großes Glück gehabt. Und wenn Louis mich anlächelt, dann macht das vieles wieder gut.“

Eine Kerze für Bruder Levin

Dennoch ist da immer der Gedanke an den Zwillingsbruder. „Der Verlust sitzt tief. Es zerreißt einem schon das Herz zu wissen, das man noch ein Kind hätte haben können.“ Immer wieder mache sie sich bewusst: „Levins Leben wäre nicht schön gewesen.“ Er hätte beatmet werden müssen, einen künstlichen Darmausgang gehabt, zur Dialyse gemusst. „Natürlich lieben wir ihn trotzdem.“ Aber mit diesem Wissen könne sie leichter loslassen, um für Louis da zu sein. Jeden Abend zündet Nadine Goralski eine Kerze für Levin an, regelmäßig besuchen die drei sein Grab. „Er ist der Schutzengel für seinen Bruder, passt ganz doll auf ihn auf“, ist sich die Mutter sicher.

Die Adventszeit hat die kleine Familie diesmal ganz bewusst erlebt. An Heiligabend unterm Weihnachtsbaum wird das ähnlich sein. Oma Helga kommt vorbei. Es gibt Schweinefilet mit Klößen und Rotkohl. Louis wird viel Quatsch mit Papa machen, zum Beispiel auf dessen Schultern sitzen. Mit Mama wird er kuscheln und die Oma auf Trab halten. „Wir sind ein gutes Team“, sagt Nadine Goralski. Und sie will mit ihrer Geschichte allen Eltern Mut machen, die Ähnliches erleben.