Witten. Ulrich Schilling ist Breitband-Beauftragter des Kreises. Im Interview spricht er über die Situation in Witten, das weitere Vorgehen, fehlendes Geld.

Ulrich Schilling ist seit einem halben Jahr Breitband-Beauftragter des Kreises, mit Sitz in Hattingen. Er ermittelt, wo schon ein schnelles Internet für Privatleute und Firmen möglich ist, wo noch mehr geht und und wo es noch weiße Flecken auf der EN-Karte gibt. Schilling macht sich für den Breitband-Ausbau stark und kümmert sich auch um Fördergelder von Land und Bund. Ein Gespräch mit ihm über die Wittener Situation.

Wie sieht es mit dem Breitband-Ausbau in den Stadtteilen aus?

Wir wissen, dass Stockum zu 85 Prozent versorgt ist, das Wittener Zentrum zu 68 Prozent. Bommern ist zur Hälfte versorgt. Der Schnee ist unterversorgt, ebenso Bommerholz, Buchholz, Durchholz, Papenholz und Herbede.

Kostenlose Beratung für Unternehmen

Unternehmen, die sich zum Thema schnelles Internet individuell und kostenlos beraten lassen möchten, können sich direkt an den Breitband-Beauftragten des Ennepe-Ruhr-Kreises, Ulrich Schilling, wenden: 02324/5648 15; E-Mail: schilling@en-agentur.de.

Schilling sitzt mit seinem Büro in Hattingen, Am Walzwerk 25, und gehört zur Wirtschaftsförderungsagentur Ennepe-Ruhr GmbH. Weitere Informationen im Netz: www.en-agentur.de

Was ist mit „versorgt“ gemeint?

Gemeint ist, dass es dort eine Infrastruktur für einen Breitband-Anschluss gibt, etwa durch eine Glasfaser-Kupfer-Kombinationstechnik. Auch Leute, die einen Kabelanschluss haben – der über Koaxial-Technik läuft – können hierüber schnelles Internet bekommen. Im EN-Kreis gibt es etwa 53 000 Kabelfernseh-Anschlüsse, also auch schnelles Internet. Davon sind 33 800 Anschlüsse in Witten!

Wer sind die Breitband-Anbieter
in der Stadt?

Unity Media, Vodafone, Versatel, TMR, Telekom, wobei jeder Anbieter seine Leitungen ja auch weitervermietet. Ein Tipp: Die Bundesnetzagentur hat einen Breitband-Atlas online gestellt (zukunft-breitband.de). Da sieht man, wer in einer Stadt als Provider unterwegs ist.

Was unternehmen Sie, wenn Stadtteile unterversorgt sind?

Ich habe an alle Anbieter geschrieben, ihnen mitgeteilt: Dieses sind im Kreis unsere unterversorgten Stadtteile. Ich habe gefragt: Wer möchte hier investieren, ohne dafür öffentliche Gelder zu bekommen? Ich gehe davon aus, dass man 10 bis 15 Prozent der unterversorgten Stadtteile ohne Fördergelder ausbauen kann. Aber 80 bis 85 Prozent der Anbieter werden sagen: ,Das lohnt sich nicht, weil sich die Wirtschaftlichkeit nicht darstellen lässt.’ Wirtschaftlichkeit meint: Was muss investiert werden in Technik und Tiefbau? Und: Welche möglichen Kunden habe ich. Wieviel Geld nehme ich in drei Jahren ein? Die Differenz nennt man Wirtschaftlichkeitslücke. Für diese gibt es Fördertöpfe.

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Wo gibt es diese Fördertöpfe?

Beim Land gibt es Fördergelder für nur knapp zehn Prozent der unterversorgten Gebiete im EN-Kreis. Beispiel: In Witten können Vormholz und Durchholz Fördergelder des Landes in Anspruch nehmen, Buchholz aber nicht. Der Grund: Das Land teilt die Städte in sogenannte Gemarkungen auf. Und beurteilt dabei selber, was von den Gemarkungen als ländlicher Raum gilt. Durchholz und Vormholz gehören in den ländlichen Raum, Buchholz nicht – warum auch immer.

Höchst unwahrscheinlich

Für Buchholz würde es Bundesgelder geben, aber der Bund bezuschusst nur 50 Prozent der Wirtschaftlichkeitslücke. Um dieses Geld zu bekommen, müssten die anderen 50 Prozent von der Stadt Witten kommen, was bei deren Haushaltslage höchst unwahrscheinlich ist. Durchholz und Vormholz hätten Chancen, 50 Prozent Fördergelder vom Bund und 50 Prozent vom Land zu erhalten. Jetzt muss ich nach Möglichkeiten suchen, Buchholz trotzdem anzuschließen, Finanziers finden. Die Wirtschaftlichkeitslücke beim Anschluss von Buchholz wird geschätzt zwischen 500 000 und 600 000 Euro liegen. Ich hoffe, dass ich spätestens im zweiten Quartal 2016 konkrete Aussagen für alle in Witten unterversorgten Gebiete machen kann.

Satelliten-Technik ist überall einsetzbar

Verschiedene Techniken für die Übertragung von großen Datenmengen

Ein Breitband-Anschluss ermöglicht einen Zugang zum Internet mit großen Datenmengen, die gleichzeitig übertragen werden können. Zu einem solchen Anschluss kann man auf verschiedenen Wegen kommen, wie Ulrich Schilling erläutert:

Mit einer Kombination aus Glasfaser- (=Lichtwellen) und Kupferkabel. Lichtwellenleitungen gehen in die Verteilerkästen in einer Straße, von da ab über Kupferkabel in Häuser und Wohnungen. Hiervon machen 85 Prozent der privaten Nutzer in Ennepetal Gebrauch. Schilling: „Unmittelbare Lichtwellen-Anschlüsse in eine Wohnung/Firma kosten etwa 350 Euro im Monat.“

Mit LTE-Technik. „Witten ist die einzige Stadt im Kreis, die die schnellste Form des LTEs hat“, so Schilling. Die Tarife seien aber hoch, „liegen bei 80 Euro für den Anschluss im Monat und mehr“. Außerdem: Jeder Funkmast, auf dem ein LTE-Sender sitze, habe eine Höchstzahl von Leitungen, die dieser gleichzeitig zur Verfügung stellen könne. „Beispiel: 50 Leute können sich parallel an einem Masten einwählen. Je mehr Menschen dies gleichzeitig tun, desto langsamer wird aber die Verbindung.“ Für Firmen sei die LTE-Technik eher nicht zu empfehlen.

Satelliten-DSL: Die Satelliten-Schüssel kann senden und empfangen. Schilling: „Hier sind Geschwindigkeiten von bis zu 22 500 Kilobit pro Sekunde möglich. Aber: Je mehr Leute auf den Satelliten zurückgreifen, desto geringer wird die Geschwindigkeit.“ Diese Verbindung koste ab 19,95 Euro im Monat. Schilling: „Will man immer eine konstante Geschwindigkeit haben, zahlt man einen hohen Tarif.“

Gibt es Überbrückungs-Techniken für die noch nicht Versorgten?

Ja, etwa die Satelliten-Technik als Überbrückung für Privatleute, aber auch Unternehmen. Das ist die einzige Technik, die überall einsetzbar ist. Egal, wo man im EN-Kreis wohnt – auch in Buchholz. Für Firmen gibt es darüber hinaus ganz viele individuelle Lösungen, die für den Privatnutzer in der Regel aber zu teuer sind.

Beantragen Sie die Fördergelder für den weiteren Ausbau?

Wenn ich genau weiß, für welche Gebiete im Kreis sich keine Anbieter interessieren, werde ich diese fragen: ,Wieviel Geld braucht Ihr denn für einen Ausbau?’ Für diese Gebiete werde ich dann Fördergelder beantragen. Derzeit diskutiere ich mich mit der Landes- und Bezirksregierung, warum diese für bestimmte Bereiche, die für uns ländlicher Raum sind, keine Gelder bewilligen, Beispiel Buchholz. Ich weiß dabei die regionale Politik hinter mir, einschließlich des Kreistages.

Für den Breitband-Ausbau im EN-Kreis wären 121 Millionen Euro notwendig

Was sehr interessant ist: Die NRW-Bank hat Anfang diesen Jahres eine Studie veröffentlicht, die den Breitband-Ausbau in ganz NRW berechnet hat. Die haben das auf jeden Kreis, jede Stadt heruntergebrochen. Darin steht, dass der Breitband-Ausbau für den gesamten EN-Kreis eine Gesamtinvestitionssumme von 121 Millionen Euro erfordern würde. Der Bund hat im Juni Mobilfunkfrequenzen versteigert und hat gesagt, das Geld nehmen wir für den Breitband-Ausbau.Über den Zuteilungsschlüssel des Bundes, welches Land wieviel Geld bekommt, sind 121 Millionen Euro für ganz NRW angefallen! Da habe ich im Düsseldorfer Wirtschaftsministerium angerufen und gesagt: ,Das Geld reserviere ich für den EN-Kreis.’ Da hat der Sachbearbeiter herzlich gelacht. Das Bundesgeld an das Land ist nur ein Fünfzehntel dessen, was wir für den NRW-Ausbau benötigen würden.