Witten. .
Bei Ali Baba (27) ist Leben inne Bude, auch ohne sieben Räuber: Ob Nachbar Niko (69) oder Mitarbeiterin Susanne (60) – an der Holzkampstraße verbringen die Leute gerne ihre Zeit. Von wegen Kiosk ist von gestern! Sogar Handys hat der Hausherr mit dem märchenhaften Namen im Angebot. Was es bei ihm für Geschichten zu hören gibt? Unsere Zeitung hat wieder am Kiosk-Fenster geklopft.
Ich arbeite gerne hier am
Kiosk, ich mag einfach den
persönlichen Kontakt, den man ja
in so einer kleinen Bude hat. Es
gibt kaum einen Kunden, mit dem
ich kein persönliches Wort wechsle.
Sowas gibt es heute bei Lidl oder
Aldi nicht mehr. Mit der Zeit lernt
man viele Leute kennen, man kennt
die Gewohnheiten. Viele Kunden
kommen ja sehr regelmäßig. Besonders
schön finde ich, dass ich
viele Kinder aufwachsen sehe. Ich
habe ja früher schon mal in einem
Kiosk gearbeitet, damals am Kohlensiepen,
zwölf Jahre lang war ich
dort.
Natürlich gehe ich auch gerne
mal anne Bude, aber nicht so oft,
nur wenn ich eine Telefonkarte
brauche, Tabak oder eine Zeitung.
Das Groteske dabei ist, dass ich
eigentlich nie ein wirklicher Kiosk-
Mensch war. Auch mein Sohn wollte
nie eine gemischte Tüte haben.“
Susanne Dickamp, 60
Ich kenn’ den Kiosk an der Holzkampstraße
schon 35 Jahre. Viel
verändert hat sich hier nicht.
Ich wohne um die Ecke. An der Bude
von Ali ist für mich immer die Tür offen.
Ich komme jeden morgen her, trinke
einen Kaffee und kaufe Zigaretten.
Es ist fast wie zu Hause: Wir reden
eine halbe Stunde, zum Beispiel über
die Arbeit, und wir lachen viel. Dann
geht’s zur Arbeit. Meine Familie kommt
auch gerne zu Ali. Meine Frau kauft
Tabak und gibt Pakete ab. Das mit dem
Paket-Shop im Kiosk ist eine praktische
Sache. Wenn es die Bude nicht mehr geben
würde, wäre das hier eine tote Straße.
Auch wegen der Schulkinder. Sie kommen gerne.“
Niko Dordevic, 69
War das ein Zufall, wie ich
auf die Bude gekommen bin!
Ich hatte mit meiner Frau ja einen
Kiosk an der Ardeystraße, aber da
war die Parkplatzsituation schlecht.
Vor etwa anderthalb Jahren bin ich
durch die Holzkampstraße gefahren.
Da war der Kiosk hier dicht. Der
Vermieter sagte mir, er hat jemand
anders. Doch der ist dann abgesprungen.
Hier können die Kunden
besser parken. Manchmal ärgert’s
mich trotzdem: Da stellen sich
manche tagelang hin, und wer bei
mir etwas kaufen will, bekommt
keinen Platz. Ich bin gerne selbstständig,
da habe ich keinen Chef
vor der Nase. Warum ein Kiosk? Jeden
Tag kommen Leute und reden
über ihr Leben. Letztens hat ein älterer
Mann vom ersten Weltkrieg
berichtet, andere erzählen von
ihren Hunden. Das mit dem Handy-
Verkauf bringt ein paar Euro zusätzlich.
Manche haben ja kein Handy
oder haben’s gerade verloren.“
Ali Baba, 27, Kiosk-Besitzer
Ich bin quasi in einer Bude
aufgewachsen. Meine Eltern
hatten einen Kiosk in Dortmund.
Eins können sie mir glauben: Man
kennt jeden! Das ist schlimmer als
beim Frisör! Früher konnte man
noch Eier, Toast und Milch anne Bude
kaufen. Heute kauft man Bier,
Zigaretten und Süßigkeiten. Meine
Mutter war früher den ganzen Tag in
ihrem Kiosk. Und ich mittendrin! Da
erlebt man viel. Besonders spannend
war, die ganzen Geschichten
zu hören, die die Leute erzählen. In
der Bude konnte man gut lauschen.“
Sandra Dekowski, 36
Der Kiosk liegt auf dem Weg
von der Arbeit nach Hause.
Das ist praktisch. Ich komme gerne,
weil man schneller etwas holen
kann als im Supermarkt. Ich kaufe
meine Zigaretten – zum Quatschen
ist da wenig Zeit. Trotzdem gehört
der Kiosk dazu. Meine Kinder kaufen
gerne mal eine gemischte Tüte.“
Agostinho Silva, 45