Witten. Die ersten 53 Flüchtlinge verließen am Mittwoch die Notunterkunft Jahnhalle. Viele Bürger waren gekommen, um „Tschüss“ zu sagen. Ein Besuch.

Ein kleiner Junge schnappt sich sein Plüschtier, dann steigt er in den Kleintransporter. Seine Eltern nehmen ein letztes Mal eine Helferin vom Roten Kreuz in den Arm. Tränen fließen. Als der Wagen losrollt, winkt die Flüchtlingsfamilie herzlich. Was bleibt? Eine Mischung aus Traurigkeit, Dankbarkeit und Ungewissheit. Wohin es nun für sie geht, wissen Mama, Papa und Sohn wahrscheinlich gar nicht.

Es sind emotionale Szenen, die sich am Mittwochmorgen an der Notunterkunft an der Jahnhalle abspielen. 127 Flüchtlingemüssen die Sporthalle, in der sie seit fünf Wochen lebten, wieder verlassen. Iraker, Syrer und Afghanen, die in Witten Freundschaften geschlossen haben. Wie es Mohammad, Rani, Marina und den anderen künftig gehen wird? Das fragen sich viele Helfer und Bürger, die gekommen sind.

„So werden Freundschaften zerschlagen“

Die, die abreisen, sind nun offiziell Asylbewerber und werden weiterverteilt: nach Euskirchen im Rheinland, Freudenberg im Siegerland, Finnentrop und Medebach im Sauerland. Raus aus der Sporthalle, rein in Flüchtlingsheime, im besten Fall Wohnungen. Ihre Hoffnung: in Deutschland bleiben zu dürfen, eine Chance zu bekommen.

Rund 30 Bürger sind an diesem Mittwoch gegen sieben Uhr gekommen und bilden eine Menschenkette. Sie wollen zeigen: Wir werden euch vermissen! Viele haben in den vergangenen Wochen Deutschunterricht gegeben, das Frühstück vorbereitet, mit Kindern Fußball gespielt. „Schade, dass die Flüchtlinge aus dem Umfeld gerissen werden, an das sie sich gewöhnt haben“, meint ein Mann. Sabine Schmelzer, die den Abschied mit organisiert hat, kann ebenfalls nicht verstehen, warum die Asylbewerber Witten wieder verlassen müssen. „So werden Freundschaften zerschlagen.“

Picknick-Pakete mit Käse und Butterbrot

Die Kritik richtet sich an die Bezirksregierung: Sie könne doch die 127 Asylbewerber in Witten lassen und dafür in den nächsten Monaten auf Neuzuweisungen verzichten. Doch in Arnsberg arbeitet man einen Plan ab, der sich an einem Verteilungsschlüssel orientiert.

Gegen 7.30 Uhr fahren die nächsten von vier Kleintransportern mit insgesamt 23 Flüchtlingen von der Jahnhalle ab. Etwa drei Stunden später werden die letzten 30 für diesen Tag abgeholt. Am Donnerstag werden es weitere 74 sein. Alles läuft an diesem Mittwochmorgen sehr geordnet ab, Unruhe gibt es kaum. Die Flüchtlinge tragen sich in Listen aus. Mit nehmen sie nur Krankenakten, in denen alle Untersuchungen eingetragen sind. Dazu einen Koffer oder eine Tasche, in denen die paar Habseligkeiten gepackt sind, die sie besitzen. Wer will, kann noch Picknick-Pakete mit auf die Reise nehmen: ein Stück Käse, ein Butterbrot, Süßigkeiten, Wasser.

Flüchtlinge malen Bild: „Herzlichen Dank“

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Wie dankbar die Flüchtlinge sind, war am Dienstagabend zu sehen. Auf einer Abschiedsfeier wurde gelacht und getanzt. Und viel geweint. „Es sind reichlich Tränen geflossen“, berichtet eine Helferin. „Bei Flüchtlingen und Freiwilligen.“ Die einen sind nun weg. Was bleibt, sind viele schöne Erinnerungen. Und ein selbstgemaltes Plakat an der Hallenwand: „Liebe Bürger von Witten, liebe Freiwillige, liebe Kreisrotkreuzler. Wir bedanken uns ganz herzlich für Ihr Engagement.“

Spätestens am Freitag werden zunächst 50 neue Flüchtlinge an der Jahnhalle erwartet - so der Stand am Mittwochabend. Das heißt für die Rotkreuzler: Betten desinfizieren und herrichten, Willkommenspakete mit Kissen und Zahnbürsten packen. Ein Anlauf für neue Freundschaften auf Zeit.