Witten. . 26-Jähriger handelte mit Marihuana. Amtsgericht verurteilte Wittener zu einem Jahr und sechs Monaten auf Bewährung. Juristenlaufbahn ist wohl vom Tisch

Es waren die wohl schlimmsten fünfzehn Minuten im Leben eines 26-jährigen Witteners, als Richterin und Schöffen des Amtsgerichts gestern das Urteil gegen ihn diskutierten. Der Jurastudent hatte anderthalb Jahre mit Drogen gehandelt. Würde er in Zukunft trotzdem Richter oder Anwalt werden können? Jede Strafe über einem Jahr hätte ihm eine Juristenlaufbahn verbaut.

Vielleicht gab es noch so etwas wie die Hoffnung auf die berühmte „Gnade vor Recht“ beim Wittener, vielleicht auch auf einen juristischen Schlupfwinkel, den das Gericht finden würde. Doch als Richterin Dr. Barbara Monstadt das Urteil verkündet, ist das Gesicht des 26-Jährigen wie erstarrt. Ein Jahr und sechs Monate auf Bewährung, so wie es auch der Staatsanwalt gefordert hatte. In diesem Moment sah der Student wohl seine beruflichen Träume den Bach runter gehen.

Kein Zugang zum Referendariat

Wittener kann „Diplom-Jurist“ werden

Das Juristenausbildungsgesetz (Paragraf 30) regelt, wann angehenden Referendaren der Vorbereitungsdienst zu verweigern ist: nämlich wenn sie dazu „nicht würdig“ sind. Das sei anzunehmen, wenn man „wegen einer vorsätzlich begangenen Tat zu einer F reiheitsstrafe von mindestens einem Jahr rechtskräftig verurteilt und die Strafe noch nicht getilgt worden ist“.

Der 26-Jährige kann damit sein erstes Staatsexamen absolvieren, aber nicht das zweite. Für das zweite ist das Referendariat Pflicht. Wenn er das erste Staatsexamen besteht, kann er sich immerhin „Diplom-Jurist“ nennen.

Denn bei einem Urteil über einem Jahr kommt er erst gar nicht ins Referendariat – die Arbeit als Richter oder Anwalt ist damit unmöglich. Nach Ende der dreijährigen Bewährungszeit wäre ein Einstieg theoretisch wieder möglich, gilt in der Praxis aber als unwahrscheinlich. Noch ist das Urteil nicht rechtskräftig. Aber ob die Berufung, in die er gehen will, Erfolgsaussichten hat? Auch das gilt als unwahrscheinlich.

Den wohl schwersten Fehler seines Lebens begann der Wittener, als er schon ein Jahr lang dicke Bücher fürs Jurastudium wälzte: im März 2011. Er begann, einem Bekannten Marihuana zu besorgen und zu verkaufen. Viel Geld habe er damit nicht gemacht, das sei auch gar nicht das Ziel gewesen, sagte der junge Mann vor Gericht. Vielmehr sei es eine Art „Freundschaftsdienst“ gewesen.

Gericht sieht keinen Spielraum für mildere Strafe

Mindestens 18-mal besorgte der Wittener seinem Kumpel – er ist mittlerweile zu fünf Jahren Haft verurteilt worden – den gewünschten Stoff. „Er hat hundert Mal nachgefragt, ob ich ihm helfen könnte. Ich kannte die entsprechenden Leute“, sagte der Student. Da habe er eingewilligt. „Das war blöd.“ Meistens waren es um die 30 Gramm pro Monat, die er verkaufte, mal waren es auch 200 Gramm. Mit Blick auf sein Studium hörte der 26-Jährige mit seinen Machenschaften im August 2012 auf. Viel zu spät für eine milde Strafe.

Was treibt einen jungen, intelligenten Mann, vor allem: einen Jura-Studenten dazu, vom unbescholtenen Bürger zum Drogendealer zu werden, zumal er um die Konsequenzen hätte wissen müssen. Wirklich erklären konnte das auch der Übeltäter selbst nicht. Ein Fall, der dem Gericht „Kopfzerbrechen“ bereitete, wie Dr. Barbara Monstadt sagte. Man wisse um die „dramatischen Folgen“, die das Urteil für den 26-Jährigen habe. „Aber das haben nicht wir zu verantworten, sondern Sie“, sagte die Gerichtsdirektorin.

Sie sehe keinen Spielraum für eine Strafe unter einem Jahr. Im Gegenteil: Anderthalb Jahre auf Bewährung seien „sehr angemessen und richtig“. Monstadt: „Wenn ich mich als Jurastudent dazu entscheide, etwas Kriminelles zu tun, muss ich mir darüber Gedanken machen.“