Witten. . Eine halbe Stunde guckten wir in Witten „anne Bude“: Zum Auftakt bei Attila Kartal, der vor drei Monaten an der Röhrchenstraße seinen Kiosk eröffnete.

„Anne Bude“ kannste: dein Herz ausschütten, die Weltpolitik diskutieren, im Jogginganzug vorbeischlurfen, Bonbons in Tütchen kaufen. Oder doch ‘n Bier? Familie Kartal hat sich vor drei Monaten entschieden, einen Kiosk an der Röhrchenstraße zu übernehmen.

„Ati’s Kiosk“ liegt neben dem bekannten Rundkiosk an der Ecke zur Kurt-Schumacher-Straße. Dort soll demnächst eine Pizzeria eröffnen. Attila Kartal hat seinen Laden im einstigen „Obstkörbchen“. Der ist größer und hat mehr Lagerfläche als der Rundbau, in dem einst sein Vater Wassereis, Dosensuppen und Zigaretten verkaufte. Aber auch hier finden wir: Lollis und Zeitungen, Chips und Schnaps. Und sonst?

Warum ich hier her komme? Na, eine schmöken, Kaffee trinken und dann tauschen wir uns aus, über die neuen Geschäftsideen, die Ati so hat. Ich hoffe, der schafft das hier, das belebt so eine Straßenecke. Und ich finde diesen Vogel einfach sympathisch. Außerdem lassen wir uns Getränke hoch in die Wohnung liefern. Hier in der Röhrchenstraße wohnen vor allem alte Leute, für die könnte eine Bude ein guter Treffpunkt werden. Wir sitzen davor und dreschen Skat, das wäre was! Unter uns gesagt: Vor allem lasse ich mir vom Ati mein neues iPhone erklären, der kennt sich aus wie nix!
Reinhard Hohagen, 66

Ich bin schon immer Budenkunde gewesen. Es gefällt mir besser, hier vorbei zu gehen als in einen Supermarkt. Hier ist wenigstens was los. Mein Bier habe ich schon bei Atis Vater gekauft. Zeitungen hole ich auch manchmal. Und dann lass ich mich noch von seinem Jungen ärgern.
Erwin Dallmann, 70

Zur Bude gehen, das kenne ich noch aus meiner Kindheit. Ich finde es praktisch, schnell was am Kiosk zu kaufen: Cola oder Zigaretten. Auch mein Sohn und die Nachbarskinder dürfen manchmal hin. Dann kriegen die Geld und kaufen sich Süßigkeiten oder ein Eis.
Tanja Ditges, 32

Als Kind durfte ich mir am Kiosk immer Wassereis kaufen. Jetzt halte ich nur hier an, weil es auf dem Weg liegt und ich das Leergut so abgeben kann. Zur Bude gehe ich schon regelmäßig – wenn ich zum Beispiel sonntags nichts zu trinken habe, flitze ich schnell her.
Jacqueline Seitz, 22

Die letzte Firma, für die gearbeitet habe, ging insolvent. Jetzt will ich selbstständig arbeiten. Man hat zwar mehr Verantwortung und lange Arbeitszeiten, aber man kann sein Leben selbst planen. So wie früher läuft eine Bude natürlich nicht. ich hoffe, dass unser Lieferservice mehr genutzt wird: dass wir für die Nachbarn einkaufen und die Sachen in die Wohnung bringen.

Meine beiden Kinder sind häufig hier im Laden. Für die ist das das Paradies: überall Süßigkeiten und Eis! Im Sommer ist viel los, weil die Leute auf dem Weg zum Stadtpark hier Wasser kaufen. Mal gucken, wie es im Winter wird.
Attila Kartal, 32

Die Bude gehört zum Ruhrgebiet dazu: Zu Zeiten der Industrialisierung entstanden die Trinkhallen, an denen hungrige und vor allem durstige Arbeiter auf dem Weg zur „Maloche“ einen Stopp einlegten. Inzwischen trotzen in Witten nur noch wenige Buden der Konkurrenz der Supermärkte und Tankstellenshops. Selten sind diese in deutscher Hand. In unserer neuen Serie stellen wir uns jeweils für eine halbe Stunde in Witten anne Bude – und gucken, was dort passiert.