Witten. Beim „EinSatz für Kultur“ an der Annenstraße kam die Kunst dorthin, wo die Menschen sind: zur Bude mitten im Stadtteil.
Wer im Ruhrgebiet lebt, weiß es – an einer echten Trinkhalle bekommt man alles. Und in der Trinkhalle Babinski an der Ecke zur Annenstraße gibt es an diesem Abend noch ein besonderes Extra: Kultur. Denn hier macht heute die „Trinkhallen Tour – Ruhr“ Station. Und die Bassklarinettisten des Quartetts „Die Verwechslung“, Initiatoren dieser besonderen Tour, erfreuen sich beim Publikum mindestens ebenso großer Beliebtheit wie Pils, Bockwurst und Schokoriegel.
Bereits im vorigen Jahr waren die Profi-Musiker mit ihrer Tour in Witten. Die Gastgeber, die Betreiber der Trinkhalle Babinski und Beate Albrecht vom bekannten Wittener „theaterspiel“, haben die Tour erweitert zur speziellen Wittener Variante „EinSatz für Kultur“. Tänzer Ivica Novakovic aus dem Ensemble der Theatergruppe hat sich an diesem Abend mit den Klarinettisten zusammengetan – gemeinsam zeigen die fünf Profis eine lebendige Improvisation vom Feinsten.
Berührungsängste darf man dabei allerdings nicht haben. Bereits bei der „Ouvertüre aus Stahl“ holt sich der Tänzer eine junge Frau aus dem Publikum und bindet sie in die Performance ein. Und das ist erst der Anfang – da wird getanzt, umarmt, herumgewirbelt. Beim „Perückentango“ bleibt mancher etwas zerzaust zurück, und bei „This is not my horse“ dient ein junger Mann sogar als Reittier. „Kunst ist, wenn Menschen etwas mit Menschen machen“, erklärt Ivica Novakovic voller Überzeugung.
Bühne auf dem Bürgersteig
Und das ist auch die Idee, die hinter der Veranstaltung steht. „Wir haben uns gut überlegt, welcher Ort ideal ist, um die Kultur direkt zu den Menschen zu bringen“, erzählt Florian Walter, 28, einer der Klarinettisten, „und was wäre da im Ruhrgebiet besser geeignet als die Trinkhalle?“ Eben.
Die stattliche Anzahl an Besuchern, die trotz des mäßigen Wetters hierher gefunden haben, gibt ihm Recht. Martina Berger, 51, ist begeistert: „Richtig toll! Und das sind echte Profis, das sieht man sofort. Ich bin selbst Musikerin und habe viel mit Tänzern zusammengearbeitet. Was hier so locker aussieht, verlangt sehr viel Können. Und die Idee, hier mitten im Stadtteil so etwas zu veranstalten, ist großartig!“
Das Besondere an diesem Ereignis: Nach den Profis gehört die „Bühne“ auf dem Bürgersteig nun jedem, der etwas zum Vortrag bringen will. Friederike Hapel vom „theaterspiel“ erzählt als Putzfrau Ottilie Niederkottenkamp in breitestem Ruhrpottdialekt vom Pröhlken beim Kaffeeklatsch und singt das Lied von der „Käsewurst“. Gardy und Siggi entführen die Zuhörer bei bedecktem Himmel mit der Gitarre in die „Summertime“. Bollywood-Tanz, polnische Lieder, Gedichte – der Vielfalt sind an diesem Abend keine Grenzen gesetzt.
Beate Albrecht freut sich über die gute Stimmung. „Im vorigen Jahr hatten wir leider vergessen, die Veranstaltung anzumelden und haben sie dann kurzfristig als Demo deklariert“, lacht sie. „Da mussten wir immer darauf achten, dass zwischendurch genug Wortbeiträge kamen.“ Das ist in diesem Sommer nicht nötig. Ein richtig tolles Kulturfest, das da stattfindet, wo es hingehört: Mitten im Alltag!