Witten. Beim Schwimmkurs für erwachsene Nichtschwimmer in Witten helfen Ausbilder der DRK den Teilnehmern bei ihren ersten Versuchen im kühlen Nass

Die ersten „Gehversuche“ sehen noch etwas hölzern aus. Auf und ab bewegen Abdelkader und Abdulrauf ihre Arme im Nicht-Schwimmerbecken des Annener Freibades Zehra schaut ungläubig unter sich ins Nass und traut sich zunächst nur das Stehen zu. Doch die erste Angst wird in ein paar Minuten verflogen sein.

Die drei sind keine Kinder mehr: die beiden Männer sind 19 Jahre alt, Zehra gar 38. Schwimmen können sie trotzdem nicht. Sie haben es in ihren Heimatländern einfach nicht lernen können. Oder haben beim Lernen schlechte Erfahrungen gemacht. Doch mit dem Schwimmen ist es wie mit der Liebe: Es ist nie zu spät für den nächsten Versuch. Das Deutsche Rote Kreuz bietet Flüchtlingen ab sofort die Gelegenheit, ihr „Seepferdchen für Erwachsene“ zu machen.

Fremdes Land, fremde Leute

„Das Angebot soll offen sein. Sie sollen einfach vorbeikommen“, sagt Kreisrotkreuzleiterin Tanja Knopp. „Kulturell ist es für viele sicher nicht ganz einfach, sich voreinander auszuziehen“, weiß Ausbildungsleiter Bastian Wiebusch. „Gerade bei Männern und Frauen.“ In einem fremden Land. Mit fremden Leuten. Und bei ziemlich miesem Wetter an diesem Abend.

Wer wird wohl kommen? Nach und nach trudeln sie etwas schüchtern ein: Adelkader, 19, aus Syrien. Er ist seit etwa acht Monaten in Deutschland. Abdulrauf, auch 19, kommt aus Afghanistan. Und dann ist da noch Zehra, die mit ihren 38 Jahren etwas aus der Reihe fällt, was aber überhaupt kein Problem ist. Auch, dass die Türkin gar kein Flüchtling ist: Sie ist in Deutschland geboren.

Schlechte Erfahrungen im Heimatland

Als Anfang Juli ein Flüchtling in der Ruhr starb, war das so etwas wie das Alarmsignal beim DRK: „Da haben wir gedacht: Da müssen wir was machen“, sagt Kreisrotkreuzleiterin Knopp. Und Ausbildungsleiter Wiebusch ergänzt: „Bei uns gehört das Schwimmen zur Kultur. In anderen Ländern gibt es einfach keine Hallenbäder.“

Zunächst schauen die DRK-Trainer: Was können die Schützlinge? Gibt es Ansätze? Herrscht Angst? Abdelkader und Abdulrauf legen sofort los: Ihre Kraulbewegungen wirken steif. Aber sie können sich über Wasser halten. Zehra tastet sich ins Nicht-Schwimmer-Becken vor. Sie hat schlechte Erfahrungen gemacht, erzählt sie am Beckenrand: „Als Kind bin ich einmal unter gegangen. Seitdem bin ich nicht mehr geschwommen.“ Heute hat sie ihren ganzen Mut zusammengenommen. „Ich habe es meiner Betreuerin versprochen.“

Übungen mit „Poolnudel“

Melanie Hartmann, ebenfalls eine Ausbilderin des DRK, reicht der Türkin eine „Poolnudel“. Mit dem Schaumstoffstab machen Senioren sonst Gymnastikübungen. Zehra legt ihn sich unter den Bauch. Dann kommt ihr großer Moment: Sie legt sich ins Wasser, die Füße paddeln. Erst mit der Hand am Beckenrand, dann ohne. „Auf und ab, bis das Wasser spritzt“, ruft ihr Melanie Hartmann zu. Zehra lacht. Die ersten „Gehversuche“ waren einfacher als gedacht. Schon jetzt hat sich ihr Besuch gelohnt.