Witten. Theodora Polichronidou (56) und Stefan Kiriazidis (73) leben seit 50 Jahren in der Ruhrstadt. Ihren Familien in Griechenland stehen sie jetzt bei.

Wütend wird Theodora Polichronidou, wenn man sie in diesen Tagen auf das Thema Griechenland anspricht. „Es macht mich sehr ärgerlich, wenn ich sehe, wie falsch die Öffentlichkeit in Deutschland informiert wird.“ Die 56-jährige Griechin lebt in Witten, seitdem sie ein Kleinkind war. Seit 17 Jahren betreibt sie in der Ruhrstadt eine Praxis als Kinderärztin. Trotzdem geht ihr das Schicksal ihrer Landsleute nah. Weil sie noch Familie in Griechenland hat. Weil sie ein- bis zweimal im Jahr dort ist.

„Bei meinem Besuch im Februar habe ich gespürt, wie niedergeschlagen die Menschen in meiner Heimat sind“, erzählt Polichronidou. „Meine Landsleute sind traurig.“ Grund sei nicht in erster Linie materielle Not. „Es ist eher das Bild, das von unserm Volk in den ausländischen Medien gezeichnet wird: Meine Freunde und meine Familie schämen sich – dabei können sie für die Krise am wenigsten. Ich habe versucht, sie zu trösten.“

Hochzeit muss vielleicht platzen

Aber die Staatspleite in Griechenland hat auch ganz praktische Folgen, etwa für Polichronidous Cousine und ihren Sohn, die in der Nähe von Athen leben. „Er hat schon vor Monaten für Juli seine Hochzeit geplant. Jetzt weiß keiner, ob sie stattfinden kann. 500 Gäste sind eingeladen, ich auch. Die vier Tage Griechenland hatte ich fest eingeplant“, sagt die Ärztin.

Aber die Tatsache, dass jeder täglich nur 60 Euro abheben könne, lähme die ganze Familie. „Wie sollen die Gastgeber Tomaten, Gurken, den Lammspieß für das Hochzeitsmahl kaufen ohne Geld?“ Und sie fügt hinzu: „Meine Familie in Griechenland hat das Geld – aber was soll sie machen, wenn sie nicht drankommt? Frisches Gemüse kann man ja nicht Wochen vorher besorgen.“ Der geplante Kurzurlaub müsse wohl ausfallen, meint Theodora Polichronidou.

Sechs Geschwister sind selbstständig

Auch Stefan Kiriazidis (73) nimmt Anteil am Schicksal seiner Familie und Freunde, die hauptsächlich in Thessaloniki wohnen, der zweitgrößten Stadt Griechenlands. „Ich lebe schon so lange in Deutschland, ich habe die deutsche Mentalität aufgesogen.“ Dennoch: Zweimal im Jahr fliegt der Rentner in seine Heimat, zu seinen sechs Geschwistern. „Sie haben Arbeit, haben sich selbstständig gemacht.“ Auf dem Land, in der Provinz, da sei Politik kein großes Thema. „Es ist wie hier: Die kleinen Leute gehen ihrer Arbeit nach, leben ihren Alltag – und die Politiker da oben veranstalten das Chaos.“

Dass seine Geschwister vor der Krise nach Deutschland flüchten werden, glaubt Stefan Kiriazidis nicht. „Warum sollten sie? Sie haben in Griechenland ihr Geschäft, sie haben ihren Platz. Die haut so schnell nichts um.“