Witten. . Matthias P. ist trockener Alkoholiker, nahm Drogen. Der 33-Jährige suchte Hilfe und lebt jetzt mit anderen Suchtkranken in einer Bethel-Einrichtung.

„Ponyhof“ steht an der Tür, die reale Welt soll draußen bleiben. „Mein Zimmer ist mein Rückzugsort“, sagt Matthias P.. Das Haus Kreisstraße in Annen, eine Bethel-Einrichtung, in der er seit Februar gemeinsam mit anderen Suchtkranken lebt, ist sein Rückhalt. Für den 33-Jährigen ein Ort der Hoffnung – für einen Start in ein neues Leben, ohne Alkohol, ohne Medikamente. Im Januar hat er versucht, sich das Leben zu nehmen. „Zum Glück ist mir das nicht gelungen.“

Matthias P. ist ein trockener Alkoholiker, zu dessen Leben Drogen gehörten, später starke Beruhigungsmittel. Er erzählt von seinem Vater, der erfolgreich im Beruf war, aber immer ein Alkoholproblem hatte, das ihn schließlich den Job und später sein Leben kostete. „Er ist mit 55 gestorben.“

Der Sohn berichtet von der Scheidung der Eltern, da ist er zwölf Jahre, von seinem Stiefvater, mit dem es „Zoff gab“. Matthias P. zog zur Großmutter, die ihn Jahre bei sich wohnen ließ, trotz seiner Alkoholexzesse, mit der damaligen Clique, seinen ersten Erfahrungen mit Drogen, als er 16 ist. „Sie hat nie was gesagt.“ Hasch war für Matthias P. eine Einstiegsdroge, wie er betont. „Ich habe später alles genommen, außer Heroin.“

„Die Hände zitterten, ich habe stark geschwitzt“

Den Hauptschulabschluss schaffte der einst gute Schüler mit Ach und Krach. „Bis ich 20 war, habe ich nur Gelegenheitsarbeiten angenommen. Dann ging ich zur Bundeswehr, habe mich vier Jahre verpflichtet.“ Er wurde Unteroffizier, mit 23 verabschiedete er sich von der Truppe. „Denn es war nicht ausgeschlossen, dass man nach Afghanistan hätte gehen müssen.“ Das wollte die damalige Freundin nicht. „Vorher war man rund um die Uhr mit anderen zusammen, plötzlich war da gar nichts mehr.“ Matthias P. fiel in ein „tiefes Loch“, fing schon morgens an zu trinken, nahm gelegentlich Drogen.

Matthias P. ist gerne mit dem Rad unterwegs. „In der Woche fahre ich 300 Kilometer“, sagt er. Foto: Walter Fischer / Funke Foto Service
Matthias P. ist gerne mit dem Rad unterwegs. „In der Woche fahre ich 300 Kilometer“, sagt er. Foto: Walter Fischer / Funke Foto Service © Fischer / Funke Foto Service

Vor zehn Jahren merkte er zum ersten Mal, dass mit seinem Körper etwas nicht stimmt. „Die Hände zitterten, ich habe stark geschwitzt.“ Er ging zu einer Suchtberatung, die ihn zur Entgiftung schickte. „Danach war ich acht Monate trocken.“ Er begann eine Ausbildung als Fachkraft für Lagerlogistik, „mit mehreren Unterbrechungen, weil ich immer wieder Alkoholrückfälle hatte“. Er schloss die Lehre ab und erhielt von der Firma nur einen Vertrag über sechs Monate. „Weil das Unternehmen in der Krise steckte.“ Als der Job weg war, entschied sich Matthias P. für eine viermonatige Therapie für Suchtkranke in einer Reha-Einrichtung. „Man braucht professionelle Hilfe, um aufzuhören. Das ist nicht nur einfach eine Kopfsache, wie viele Menschen meinen“, erklärt der ernste junge Mann.

„Mein alkoholkranker Vater suchte nie Hilfe“

Sechs Monate nach der Reha trank er wieder und machte „eine Entgiftung nach der anderen“. Im September 2011 zog er schließlich in eine stationäre Einrichtung in Gevelsberg für mehrfach abhängige Menschen. „Da war ich bis Mai letzten Jahres.“ Dann hatte Matthias P. Sehnsucht nach einer eigenen Wohnung. Dort schluckte er hohe Dosen an Beruhigungsmitteln, trank Alkohol, kam in die Psychiatrie. Im Januar wollte er sterben.

Bethel sucht eine kleine Wohnung

Bethel.regional sucht zur Anmietung eine Wohnung mit einer Größe von maximal 45 bis 50 Quadratmetern. Sie sollte in fußläufiger Entfernung zum Haus Kreisstraße 10 liegen.

Spätere Bewohner sollen, begleitet von Mitarbeitern des Hauses Kreisstraße, lernen, in einer eigenen Wohnung zu leben. Wer eine Wohnung anbieten möchte, kann dies unter: Tel. 02302/202 07100.

Im Haus Kreisstraße, hofft der 33-Jährige, habe er die Chance, ein neues Leben zu beginnen. „Für mich zählt, dass ich abstinent bin.“ Er weiß, dass die Bethel-Einrichtung für ihn ein geschützter Raum ist. Ihm ist es wichtig, auch weiterhin Kontakte nach außen zu pflegen. „In Hattingen arbeite ich im Café Sprungbrett mit, eine Anlaufstelle für Suchtkranke, ein sozialer Treffpunkt.“ Dann fügt Matthias P. noch hinzu, dass sein alkoholkranker Vater nie Hilfe suchte. „Da bin ich zum Glück anders.“

Im Haus leben derzeit drei Frauen und 13 Männer

Das Haus Kreisstraße 10 in Annen steht unter der Trägerschaft der Stiftung Bethel. Es wurde im Oktober vergangenen Jahres eröffnet. Im Haus leben 16 trockene Alkoholiker und medikamentenabhängige Menschen auf Zeit, momentan drei Frauen und 13 Männer im Alter zwischen 33 und 64 Jahren.

Anne Schuler, stellvertretende Leiterin des Hauses an der Kreisstraße, vor der Bethel-Einrichtung in Annen. Diese  wurde im Oktober 2014 eröffnet. Foto: Walter Fischer / Funke Foto Service
Anne Schuler, stellvertretende Leiterin des Hauses an der Kreisstraße, vor der Bethel-Einrichtung in Annen. Diese wurde im Oktober 2014 eröffnet. Foto: Walter Fischer / Funke Foto Service © Fischer / Funke Foto Service

Suchtkranke, die hier aufgenommen werden, müssen den Willen haben, abstinent zu leben. „Die Menschen müssen einen Neuanfang wagen wollen“, sagt Anne Schuler, stellvertretende Leiterin des Hauses. Perspektiven aufzeigen, für ein Leben ohne Sucht, dabei will die in Witten einzigartige Einrichtung seinen Bewohnern helfen. Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe finanziert, so notwendig, die Kosten des Aufenthaltes der Bewohner. Aufgenommen wird nur, wer vor dem Einzug einen Entzug gemacht hat. Alkohol oder nicht von einem Arzt verschriebene Medikamente sind im Haus verboten. Ziel ist es, Suchtkranke auf ein weitgehend selbstständiges Leben vorzubereiten.

Jeder Bewohner bekommt einen „Alltagsbetreuer“

So gibt es auf jeder Etage auch eine Gemeinschaftsküche. Jedem Bewohner wird ein „Alltagsbetreuer“ aus dem Mitarbeiter-Team zur Seite gestellt. Schuler: „Dieser hilft etwa bei einem Arztbesuch, bei Behördengängen oder aber auch bei der Freizeitgestaltung.“

Im Haus gibt es eine Gesprächsgruppe, die von einer Sozialpädagogin geleitet wird, und auch einen Werkraum, in dem, wer will, mit Holz, Farbe oder anderen Materialien arbeiten kann. „Bei uns leben viele Menschen, die früher handwerkliche Berufe hatten und sich freuen, wenn sie etwas machen können“, betont Schuler. Hausbewohner würden auch ihre Hilfe anbieten, wenn etwas in anderen Bethel-Einrichtungen in der Stadt zu tun ist. „Den Leuten ist es wichtig, etwas Sinnvolles zu machen.“