Witten. Nachpächter gesucht: In der Gemeinwohl-Anlage stehen mehrere Gärten leer. Bezirksverbands-Vorsitzender Schie : „Wir stehen vor einem Umbruch“
Der Kleingarten-Verein Gemeinwohl schlägt Alarm: Gärten stehen leer, Nachpächter werden dringend gesucht, doch das Interesse ist gering. Ein Zeichen der Zeit – nicht nur hier im Schatten der Uni: „Wir stehen in der Stadt vor einem gewaltigen Umbruch“, sagt Jürgen Schie, der Vorsitzende des Bezirksverbandes der Kleingärtner Witten.
Noch ist es gar nicht so lange her, da gab es lange Wartelisten, um eine der begehrten Parzellen zu bekommen. Doch die Zeiten sind vorbei: Fünf Gärten – also ein Zehntel der Anlage – warten im „Gemeinwohl“ inzwischen auf einen neuen Besitzer. Fünf Gärten, für die die Pacht in der Vereinskasse schmerzlich fehlt. „Vor allem aber fehlen uns mit den Pächtern auch die Menschen, die ihre Arbeitsleistung in den Verein einbringen“, klagt Roland Richert, der Vorsitzende des Vereins. Die Anlage müsse schließlich in Schuss gehalten werden, Einrichtungen repariert, das Vereinsheim gepflegt werden: Da wird jede Hand gebraucht – egal ob 18 oder 80 Jahre alt.
Engagement gesunken
Doch am Gemeinschaftssinn hapert es offenbar: „Früher war das Engagement größer“, so Schie. Und das Anspruchsdenken kleiner. Oft scheitere die Übernahme eines Gartens mit Laube aber auch an den Kosten: Rund 2500 Euro müsse man dafür veranschlagen – je nach Zustand – dazu kommen rund 500 Euro jährlich an laufenden Kosten. „Da haben sie dann noch kein Blümchen gepflanzt“, sagt Richert. Er versteht, dass das vielen zu teuer ist – macht aber auch die Gegenrechnung auf: „Klar, davon kann man Urlaub machen – aber dafür hab’ ich hier Urlaub das ganze Jahr.“
Ein Garten wird immer wieder überspült
Problematisch: Einer der leer stehenden Gärten kann praktisch nicht wieder vergeben werden, weil er bei Starkregen von dem Wasser, das sich auf der Freifläche zur Uni hin sammelt, überspült wird.
Die Stadt habe versprochen, die Wasserführung zeitnah zu ändern. Bislang sei aber nichts geschehen.
Sechs Kleingarten-Anlagen mit rund 800 Gärten und rund 1300 Mitgliedern gibt es in Witten.
Und auch von denen, die sich dann doch für den Garten entscheiden, seien viele rasch wieder weg – etwa ein Drittel der Neupächter bleibe nur ein Jahr, so die beiden Vorsitzenden. Die Arbeit werde oft unterschätzt und es mangele an der Bereitschaft, sich einzufügen. „Manche haben so ein Datscha-Denken“, erzählt Richert. Sie wollen die Laube zu Zweitwohnsitz und Partyhalle ausbauen und wundern sich, dass das nicht erlaubt ist. „Dabei kann hier jeder nach seiner Fasson selig werden – wenn er sich an ein paar Regeln hält“, so Schie.
Familien mit Kindern erwünscht
Familien mit Kindern – das wäre die Klientel, die die Vorsitzenden sich wünschen würden – auch, weil der Altersdurchschnitt in den Gärten bei über 60 Jahren liegt. Freizeit, Erholungswert, Gemeinschaft: Mit diesen Werten wollen sie punkten. Doch noch sind junge Leute Mangelware in Wittens Gärten. Und nicht nur hier: Auch auf Landesebene werde nach Konzepten gesucht, die Überalterung zu stoppen. Denn wenn der Altersdurchschnitt nicht stimme, dann könnten die Vereine als Gemeinschaft nicht überleben. „Vielleicht“, so Schie, „gibt es ja bald die Regelung, dass Neugärtner nicht älter als 35 sein dürften.“