Witten. . Auf dem Spezialitäten-Markt vor dem Rathaus war am Dienstag nicht viel los. Lob für das Angebot, Kritik an der Aufmachung. Ein Besuch
Giovani schneidet den Parmesan in Probierportionen, die Sonne strahlt fast wie auf Sizilien, im Hintergrund läuft „Canzone d’amore“. Doch richtige Amore-Stimmung will bei Giovani und den anderen Händlern auf dem italienischen Markt vorm Rathaus nicht aufkommen.
„Wo sind die Leute?“, fragt er mit italienischer Würze in der Stimme und breitet verzweifelt die Arme aus. Ein paar Kunden verirren sich gegen 12 Uhr auf dem Platz. Einige Jugendliche haben sich etwas zu essen geholt. Ein Würstchen vom Steak-Stand, der sich in der Mitte des Italo-Marktes aufgebaut hat. Nur eine Bude zeigt grün-weiß-rot Flagge, der Rest wirkt beliebig. Trotz amore, amore: Südländisches Flair kommt hier nicht gerade auf.
Händler sitzen enttäuscht zusammen
Dabei ist die Auswahl auf den zweiten Blick gar nicht mal so übel: Oliven aus Cerignola, grüne Oliven, schwarze Oliven, gefüllte Oliven zerquetschte Oliven. Artischocken, Käse aus Piemont, Sardinien und Sizilien, Rosinenbrot, Parmaschinken und Fenchelsalami. Nur: Wo sind die Kunden? Eine paar Leute streifen den Markt, schauen interessiert. Vereinzelt zappelt ein Stück Käse in der Tüte – die meisten ziehen aber weiter. Gegen kurz nach zwölf der Höhepunkt italienischer Frustration: Die Händler sitzen enttäuscht zusammen an einem der Tische, die das Stadtmarketing in Eile noch vom Ratskeller besorgt hatte.
Auch die Kaffee-Verkäuferin ist frustriert: Bis mittags habe sie nur zehn bis 15 ihrer Spezialitäten an Mann und Frau gebracht. „Das ist natürlich gar nichts“, sagt sie. „Ein paar Aufsteller und Fahnen wären nicht schlecht gewesen.“ Kurz darauf ist etwas mehr zu tun. „Die Waren am Wurst- und Schinkenstand bekommt man nicht im Supermarkt“, sagt Brigitta Kortmann. Die 50-Jährige mag gerne italienische Antipasti und hat sich gleich für mehrere Spezialitäten entschieden: zerquetschte Oliven mit Chili, Artischocken am Stiel und eingelegte Zwiebeln. „Dazu gibt es Salat und Baguette.“ Statt der französischen Beilage hätte Giovanis Kollege wohl eher Ciabatta vorgeschlagen. Aber sei’s drum: Jede Olive, die über den Tresen geht, ist ein Geschäft. Und das tut gerade heute so gut, wie die sizilianische Sonne im Urlaub.
„Es ist ja erst der Anfang hier“
Immer wieder entscheiden sich vereinzelte Kunden für ein Stück Parmesan oder den eingelegten Knoblauch. Auf dem Wochenmarkt nebenan, der gegen sein italienisches Pendant eher Normalität ist, ist aber deutlich mehr los. Und wie der Verkäufer am Steak-Grill neben dem Oliven-Stand seine Würstchen auch dreht oder wendet: Sein Fleisch kommt bei vielen besser an als die Antipasti. Die sind zugegebenermaßen auch nicht unbedingt etwas für den Mittags-Hunger.
„Ich würde mir mehr italienische Farbe wünschen“, sagt Josef Hillebrandt. Gegen das Angebot hat der 79-Jährige aber nichts einzuwenden: „Gerade für Leute, die aus dem Italien-Urlaub kommen, ist das ein Anreiz, hier etwas zu kaufen.“ Auf einem italienischen Markt sei schon deutlich mehr los, stellt auch Jürgen Mittelbach fest. Doch er räumt dem Spezialitäten-Experiment vorm Rathaus Chancen ein. „Es ist ja erst der Anfang hier.“ Die Ehefrau des 70-Jährigen steht am Käsestand. Giovani lächelt. „Prego, signora.“