Witten. . Konzern übernimmt Industrie- und Windgetriebegeschäft mit fast 900 Beschäftigten. 170 Mitarbeiter der Kleingetriebeabteilung will Bosch behalten.

Der Technologiekonzern ZF vom Bodensee übernimmt das Großgetriebegeschäft der Bosch Rexroth AG mit über 1200 Mitarbeitern – davon knapp 900 in Witten. Die weiteren 170 Mitarbeiter, die an der Mannesmannstraße im Bereich Kleingetriebe arbeiten, will Bosch Rexroth weiterbeschäftigen, aber an anderer Stelle. Für sie werde man eine Lösung „in der Region“ suchen.

Angekündigt hatte sich die Übernahme schon seit längerem, im Frühjahr ließ ZF den neuen Firmennamen „Industriebetriebe Witten GmbH, Friedrichshafen“ für die Mannesmannstraße vorsorglich ins Handelsregister eintragen. Am Mittwoch (13.5.) wurden die Verträge unterzeichnet, teilten beide Unternehmen gleichzeitig mit. Über den Kaufpreis wurde Stillschweigen vereinbart. Die Übernahme steht noch unter dem Vorbehalt der Zustimmung durch die Kartellbehörden.

Außerdem informierte die ZF-Geschäftsführung am Mittwoch die Bosch-Belegschaft im Bereich der Großgetriebe. Diese stehe der Übernahme „sehr aufgeschlossen“ gegenüber, sagte anschließend ZF-Sprecher Andreas Veil. ZF biete sehr sichere Arbeitsplätze an. „Alle Mitarbeiter bekommen ein Angebot und wir hoffen, dass alle es annehmen.“

Großgetriebe aus Witten werden in Windkraftanlagen, aber auch als so genannte Industriegetriebe in Ölbohrplattformen, Minenfahrzeugen, Tunnelbohrmaschinen oder Seilbahnen eingesetzt. Von den Großgetrieben trennt sich Bosch Rexroth nach eigenen Angaben, um sich verstärkt auf das Kerngeschäft (anderer) industrieller und mobiler Anwendungen zu konzentrieren. Die Großgetriebesparte übergebe man – auch durch die Entwicklung neuer Windgetriebe für den Schwachwindbereich – gut aufgestellt dem richtigen Partner. „Wir sind überzeugt, dass unsere Großgetriebesparte von der ZF-Getriebeexpertise profitieren wird und im Umfeld der neu entstehenden Einheit bei ZF ihre Wachstumschancen optimal nutzen kann“, sagte Bosch-Rexroth-Vorstandsvorsitzender Karl Tragel.

Für die ZF Friedrichshafen, drittgrößter Automobilzulieferer in Deutschland, bedeutet die Akquisition den Einstieg ins Geschäft mit Industriegetrieben. Außerdem stärkt der Technologiekonzern sein Windgetriebegeschäft. „Unser Non-Automotive-Segment zu stärken, ist ein wichtiges Ziel unserer langfristigen Unternehmsnsstrategie“, sagte der ZF-Vorstandsvorsitzende Dr. Stefan Sommer.

Das Großgetriebegeschäft von Bosch Rexroth erwirtschaftete 2014 rund 300 Millionen Euro Umsatz. ZF erzielte im vergangenen Jahr in der Industrietechnik, in der das Unternehmen seine Aktivitäten außerhalb der Autozulieferei bündelt („Off road“), etwa zwölf Prozent seines Konzernumsatzes. Diesen Anteil will der Technologiekonzern vom Bodensee langfristig steigern.

Bosch Rexroth behält Kleingetriebe-Sparte

Die Kleingetriebe, die vor allem in mobilen Arbeitsmaschinen zum Einsatz kommen, werden von Bosch Rexroth nicht veräußert. Die Produktion in dieser Sparte wurde allerdings schon zum Jahreswechsel von Witten nach Nürnberg verlagert. Bei diesen „mobilen Anwendungen“ fertigt Bosch Rexroth außerdem in Peking und in Bursa/Türkei.

In Witten befinden sich aber immer noch zentrale Abteilungen der Kleingetriebe-Sparte: In Projektmanagement, Verwaltung, Einkauf und IT gibt es noch rund 170 Mitarbeiter, die Bosch Rexroth nach eigenen Angaben gerne weiterbeschäftigen möchte. Auf diese sei man dringend angewiesen, „das sind unsere Spezialisten im Bereich der Kleingetriebe“, betonte Konzernsprecherin Judith Mühlich. Da das Werk an der Mannesmannstraße aber komplett an ZF verkauft werde, müssten für diese Mitarbeiter „Räume“ – vor allem Büros – an anderer Stelle gefunden werden. Derzeit werde, auch im Gespräch mit dem Betriebsrat, eine gute Lösung für alle gesucht. Dabei schaue man sich „in der Region“ um. Dass diese Arbeitsplätze auf jeden Fall in Witten bleiben werden, verspreche Bosch Rexroth nicht.

Bei den Großanlagen setzt der neue Besitzer ZF auch ein Zeichen, in dem er Witten zum Sitz seines neuen Geschäftsfeldes Industrieantriebe macht. Dazu sagte Wilhelm Rehm, im ZF-Vorstand zuständig für Materialwirtschaft und Industrietechnik: „Wir freuen uns auf eine erfahrene Belegschaft mit über 30 Jahren Entwicklungs- und Produktions-Know-how für Windgetriebe und sogar über einem halben Jahrhundert entsprechender Expertise bei Industriegetrieben.“

ZF: 18,4 Milliarden Euro Jahresumsatz weltweit

Die ZF Friedrichshafen AG (ZF = „Zahnradfabrik Friedrichshafen“) übernimmt die Produktionsstandorte von Bosch Rexroth in Witten mit knapp 900 Mitarbeitern und in Peking (Windkraftgetriebe) mit 300 Mitarbeitern sowie den Service-Standort in Lake Zurich/USA mit 15 Mitarbeitern.

ZF hat 72 000 Mitarbeiter und 18,4 Milliarden Euro Jahresumsatz (2014). Durch Übernahme von TRW (USA) will ZF bald in die „Top drei“ der Automobilzulieferer weltweit vorstoßen.