Witten. . In der S 5 von Dortmund nach Witten herrscht gähnende Leere, obwohl sie nur stündlich fährt. Fahrgäste sind mit dem Notfahrplan ganz zufrieden.
Die Efa ist eine falsche Schlange: Da behauptet sie auf meine Anfrage hin doch steif und frech, die S 5 würde auch um 10.11 Uhr von Dortmund nach Witten fahren. Ich hab ihr geglaubt – ist doch schließlich die elektronische Fahrplanauskunft der Bahn. Und so hatte ich plötzlich am Hauptbahnhof ganz viel Zeit. Die S 5 fährt nämlich in diesen Streiktagen nur stündlich – wie ich jetzt weiß.
Aber die unerwartet gewonnene halbe Stunde wurde mir nicht lang. Am Geldautomat, beim Bäcker und im Zeitschriftenladen waren die Warteschlagen genauso lang wie immer im Dortmunder Bahnhof. „Streik? Da krieg ich nichts von mit“, sagt die Brötchenverkäuferin kurz und knapp – und dann gar nichts mehr. Überhaupt: Die Stimmung ist nicht gut in der Bahnhofshalle. Viele haben einen Koffer in der Hand und ein großes Fragezeichen in den Augen. „Verdammt, nun machen Sie schon – das kann doch nichts so kompliziert sein“, schimpft ein ungeduldiger älterer Herr mit der jungen Dame an der Information. Es scheint aber doch kompliziert zu sein: Sie blättert und tippt und blättert . . .
S-Bahn nach Winterberg?
Oben an der S-Bahn nach Witten herrscht dagegen feiertägliche Ruhe. Es scheint fast, als wären die Revier-Pendler alle kollektiv mit im Streik. Nur ein Pärchen steht unschlüssig am Gleis und diskutiert. „Sorry, wissen Sie ob diese Zug fährt nach Winterberg?“, fragt mich der Mann schließlich offenbar verzweifelt. Nein, tut er nicht. Das tut mir leid: Als Holländer möchte man auf dem Weg in die Berge ja wirklich nicht gerade bundesdeutschen Bahnstreik stranden.
Auch in der Bahn ist es leer. „Ja verrückt – sonst ist mehr los“, sagt Verona, die es sich mit einem Buch an einem Fensterplatz gemütlich gemacht hat, und schaut sich verwundert um. Die 17-Jährige fährt regelmäßig von Kamen nach Annen zur Schule. Durch die veränderten Abfahrtszeiten wird sie viel zu früh ankommen – so wie auch in den letzten Tagen – aber die Schülerin bleibt entspannt: „Es bringt mich nicht rasch aus der Ruhe, nur weil sich mal etwas verändert“, sagt sie. „Dann ist das halt mal so.“ Und außerdem könne sie Zeit gut nutzen: Dafür gebe es schließlich Bücher.
Streikrecht sei wichtig
Ob der Streik politisch richtig und angemessen ist, darüber will die 17-Jährige nicht urteilen. „Eine Woche ist natürlich lang – aber anderseits ist das Streikrecht sehr wichtig – für Lokführer ebenso wie für Erzieherinnen.“
Schwuppdiwupp: Barop, Kruckel, und schon sind wir da. „Die nächste ist Annen, da muss ich raus.“ Ich komme mit. Verona spaziert zügig Richtung Schule, auf dem ansonsten leeren Bahnsteig bleibt eine Mutter mit ihrem kleinen Kind stehen und schaut sich fragend um. „Und wie komm ich jetzt von hier hoch zum Schnee?“
Campingbus als Überraschung
Dabei ist Nadine Funk bislang ganz zufrieden mit ihrer Verbindung von Werne nach Witten. „Ich hab mich im Internet kurz und knapp informiert: Zahlen, Daten, Fakten, das ist mein Ding.“ Und alles habe gut geklappt. Eigentlich ist die junge Mutter gar keine Bahnfahrerin, aber gestern musste sie mit Töchterchen Amelie in den Zug steigen, weil sie hier ein Auto gekauft hat. Einen alten Campingbus, als Überraschung für den Liebsten.
Ob sie wohl je auf dem Schnee angekommen ist? „Warum ist denn hier nicht der Weg zur Bushaltestelle ausgeschildert?“, schimpft die Wernerin. Keine Ahnung. Sicher ist aber: Mit dem Streik hat das wirklich nichts zu tun.