Witten. . Zum 120-jährigen Firmenjubiläum stellt Geschäftsmann Karl-Dieter Hoeper alte Aufnahmen von Witten in seinem Laden aus.

„Das ist mein Lieblingsbild!“ Die alte Schwarz-Weiß-Aufnahme aus den 1930er Jahren zeigt das Wahrzeichen Wittens: Den „Sackträger“, umgeben von einem kunstvollen runden Brunnen. „Damals stand er noch an seinem ursprünglichen Standort, hier am Kornmarkt“, erklärt Karl-Dieter Hoeper. Zum 120-jährigen Bestehens des Familienbetriebes an der Johannisstraße zeigt der 62-Jährige in seinem Ladenlokal Fotos der Familien- und der Stadtgeschichte.

„Mein Großvater hat damals die Firma gegründet, auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Im Zweiten Weltkrieg wurde das Haus zerstört. Mein Vater war dann einige Jahre lang ambulant tätig, bis er sein Geschäft am heutigen Standort 1957 neu eröffnen konnte.“ Dieses Geschäft kennt wohl jeder Wittener: Mit vier festen Mitarbeiterinnen und einer selbstständigen Fußpflegerin kümmert sich Karl-Dieter Hoeper, der 1967 in das väterliche Geschäft einstieg, um das Wohl der Wittener Füße.

Zähne ziehen gehört auch dazu

Die Aufgabenbereiche des Firmengründers freilich waren in früheren Zeiten sehr viel breiter gefächert: „Mein Großvater war sogenannter ‚Heilgehilfe‘ und sehr aktiv im Roten Kreuz. Damals, um 1900, gab es nicht viele Ärzte, da hatten die Heilgehilfen vielseitige Aufgaben: zum Beispiel Zähne ziehen! Meine Großmutter hielt den Kopf des Patienten, während mein Großvater zur Tat schritt.“

Als 1906 die Roburit-Sprengstofffabrik in Annen explodierte und viele Todesopfer und Verletzte zu beklagen waren, war der Großvater als Helfer vor Ort dabei. Und als im Dritten Reich die Hakenkreuzfahnen das Stadtbild bestimmten, musste Karl-Dieter Hoepers Mutter miterleben, dass die befreundete Familie Stern verschwand. „Sie konnten glücklicherweise noch rechtzeitig aus Deutschland fliehen“, erzählt der Kaufmann.

Karl-Dieter Hoeper fühlt sich der Wittener Stadtgeschichte durch die Tradition seiner Familie eng verbunden. Und die zahlreichen Gratulanten in den letzten Tagen beweisen, dass sein Geschäft auch heute noch fester Bestandteil der Stadt ist.

Die sehenswerten Fotos hat zu einem Teil sein Onkel aufgenommen, aber auch Kunden haben zu der Sammlung beigetragen. Es ist ein Spaziergang durch die Geschichte des Johannisviertels. Wer den Kornmarkt nur als Busbahnhof oder Parkplatz kennt, kann sich hier einen Eindruck davon verschaffen, wie dieser zentrale Ort vor dem Krieg aussah: Ringsum standen zum Teil sehr hohe Häuser, in jedem war ein Ladenlokal. Nahezu alle Einzelhandelsbranchen waren vertreten. Fast das gesamte Viertel wurde im Bombenhagel des Krieges zerstört. „In den 50er Jahren war die Johannisstraße aber wieder ein beliebtes Geschäftsviertel. Erst die Entwicklung der letzten Jahrzehnte hat das Bild hier verändert, leider zum Nachteil“, bedauert Karl-Dieter Hoeper, der seit vielen Jahren Vorstand der Standortgemeinschaft Witten ist.

Wer sich ein wenig Zeit nimmt, entdeckt auf den alten Fotos viel Sehenswertes – die längst abgerissenen Trümmer der Gedächtniskirche, den alten Turm der Johanniskirche, aber auch wahrhaft Spektakuläres: Anfang der 50er Jahre war die berühmte Artistenfamilie Traber zu Gast in der Ruhrstadt und begeisterte mit einem gewagten Hochseilakt in der Innenstadt!

Die kleine, aber wirklich erlesene Fotosammlung wird in den nächsten Wochen im Geschäft an der Johannisstraße 12 zu sehen sein. Stadtgeschichtlich interessierte Besucher sind jederzeit herzlich willkommen.