Witten. Im Wartezimmer einiger Ärzte, die für das Bürgerforum Witten kandidieren, liegt jetzt auch Wahlwerbung aus. Ein schlechtes Gewissen müssen die Mediziner dabei nicht haben. Erlaubt ist dies nämlich, aber die Ärztekammer empfiehlt eine gewisse Zurückhaltung.
Ärzte, die bei der Kommunalwahl für das Bürgerforum Witten zum Rat kandidieren, legen nun auch schon mal Wahlwerbung für ihre Partei zum Lesematerial ins Wartezimmer.
Denn ein Patient (lateinisch: „der Geduldige”) hat vor allem eines: Zeit. Und diese Zeit, so meinen Ärzte-Bewerber um einen Ratssitz, könnte der Kunde ja auch mit dem Lesen von Wahl-Faltblättern des Bürgerforums verwenden. „Einige meiner Kollegen wollen die Flyer auslegen”, bestätigt der Allgemein- und Sportmediziner Dr. Kurt-Martin Schmelzer, der gleichzeitig Vorsitzender und Spitzenkandidat des Bürgerforums ist. Und auch in seiner eigenen Praxis wirbt er offen für seine Partei.
Eigentlich lehnt Schmelzer Parteiwerbung ab
Dabei lehnt Schmelzer nach eigenen Angaben Parteiwerbung eigentlich ab. „Wir wären am liebsten mit allen Parteien überein gekommen, auf Wahlwerbung zu verzichten und den eingesparten Betrag zu spenden”, sagt er. Doch das sei nicht durchsetzbar gewesen. Der lobenswerten guten und umweltfreundlichen Idee wollen wir aber auch einen Hintergedanken attestieren: Als das Bürgerforum vor rund sieben Wochen gegründet wurde, waren die gut platzierten Plakatwände allesamt längst fest von den Mitbewerbern gebucht worden. Da blieben dem Bürgerforum nur noch die Restbestände: „Neun bis zehn Plakatwände haben wir noch bekommen, und in Bommern hängt ein Plakat von uns an der Litfaßsäule.”
Deshalb liegen Flugblätter, die ansonsten auf der Straße verteilt wurden, jetzt auch in seiner Praxis aus, Kollege und Parteifreund Dr. Ulrich Klein plakatiert derweil fleißig an seiner Praxis an der Bahnhofstraße. Ein schlechtes Gewissen haben sie dabei nicht. Schmelzer: „Wer die Flyer lesen will, der nimmt sie sich eben. Man kann sie ja genauso gut liegen lassen. Manche Patienten nutzen sie als Diskussionsanreiz - auch durchaus kritisch.” Beschwerden seien keine gekommen, Nachteile für seine Praxis fürchtet er nicht: „Ich glaube nicht, dass mir jemand mein politisches Engagement übel nehmen würde.”
Darf der das eigentlich? Ja, er darf, sagt der Sprecher der Ärztekammer Westfalen-Lippe, Volker Heiliger. „Wenn es sich in mäßigem Rahmen bewegt, dann ist das in Ordnung. Wir empfehlen eine gewisse Zurückhaltung, weil Patienten, also kranke Menschen, oft ganz andere Sorgen haben als Kommunalpolitik.” Generell sollte der Wahlkampf außen vor bleiben, „das Wartezimmer muss nicht unbedingt politisiert werden.” Das meint auch Bertram Lingnau, Sprecher der Unabhängigen Patienberatung Deutschland: „Ich finde es etwas schwierig, aber lesen dürfen die Patienten schließlich, was sie wollen. Wir können nur an ihre Unabhängigkeit appellieren.”
Diskussion: "Wahl-Leistung" für Patienten?