Witten. Bundesvereinigung Stressbearbeitung nach belastenden Ereignissen in Witten begrüßt 11 111. Kursteilnehmer.

Auch Helfer brauchen Hilfe – sie sogar ganz besonders: Polizisten, die von einem Unfall kommen, Feuerwehrleute, die Tote geborgen haben oder auch Notfall-Seelsorger, die trauernde Angehörige betreuen. Doch wie kann man die unterstützen, die Furchtbares erlebt haben? Was nützt, was schadet eher? Antworten auf diese Fragen, die sich in diesen Tagen noch drängender als sonst stellen, gibt es in Witten. Die Bundesvereinigung Stressbearbeitung nach belastenden Ereignissen (SbE) hat ihren Sitz im Lukaszentrum an der Pferdebachstraße.

Katastrophenschützer abberufen

Die erste und größte Einsatznachsorge-Organisation im deutschsprachigen Raum feierte gestern ein kleines Jubiläum: Mit Polizeikommissarin Andrea Rutsatz aus Oldenburg wurde die 11 111. Kurs-Teilnehmerin begrüßt. 697 Kurse nach der SbE-Methode sind seit 1996 durchgeführt worden, Grund-Schulungen, Aufbau-Seminare und spezielle Module – etwa für Einsatzkräfte, die Gewalt erlebt haben.

Dabei wäre der Aufbaukurs in dieser Woche beinahe nicht zustande gekommen: Der Flugzeugabsturz versetzte die Teilnehmer – Polizisten, Feuerwehrleute, Notfallseelsorger – und auch Kursleiter Oliver Gengenbach zunächst in Alarmbereitschaft. „Wäre das Unglück in Deutschland passiert, hätte ich alles sofort absagen müssen“, erklärt der SbE-Vorsitzende. So aber seien nur ganz wenige deutsche Einsatzkräfte betroffen. Allerdings: Zwei Mitarbeiter vom Katastrophenschutz mussten den Kurs in Witten am Dienstag dann doch abbrechen – ihre Arbeit wurde bei einer der Hotlines für die Angehörigen des furchtbaren Flugzeugunglücks benötigt.

Erst mal Boden unter den Füßen

Was man bei der SbE-Methode lernt, die 1980 in den USA entwickelt wurde und seitdem tausendfach bei den verschiedenen Einsatzorganisationen angewendet wird, erklärt Gengenbach so: „Wir geben den Teilnehmern ein Geländer, an dem sie sich in den Gesprächen mit den Einsatzkräften festhalten können.“ Ein Geländer mit vier Haltepunkten: „Zunächst stabilisieren wir die Einsatzkräfte, geben ihnen wieder Boden unter den Füßen“, so Gengenbach. Dann bekommen sie Gelegenheit, das Erlebte durch Erzählen zu sortieren. „Drittens erklären wir ihnen, dass es ganz normal ist, wenn sie anders als sonst reagieren – etwa nicht schlafen können.“ Und schließlich würden Perspektiven aufgezeigt. „Damit die Kräfte wissen, wie es in der Zukunft weitergehen kann.“

Was theoretisch klingt, hat ganz praktischen Nutzen: „Ich konnte das Gelernte in meinem Dienst sofort umsetzen“, sagt Andrea Rutsatz, die im letzten Jahr den Grundkurs absolviert hat. „Der Kurs hat meine Arbeitsweise definitiv positiv verändert.“