Witten. . Ein Ärzteteam um den Wittener Dr. Gerhard Karl Schlosser operiert im indischen Jalna seit zwölf Jahren arme Menschen mit Fehlbildungen und Verbrennungen.

Wenn 300 Menschen in einem Zelt im indischen Jalna aufstehen und dem Operationsteam bei der Begrüßung Applaus spenden, dann „geht mir das ans Herz und lässt 25 Stunden Anreise fast vergessen“, sagt Dr. Gerhard Karl Schlosser, Chefarzt der Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin am Evangelischen Krankenhaus (EvK) in Hattingen, das zur Evangelischen Stiftung Augusta mit Sitz in Bochum gehört.

Gerade ist Schlosser, der Wittener ist, zurück aus Indien, wo er jährlich mit einem Team zwei Wochen lang mittellosen Menschen mit Operationen hilft. Die Patienten leiden an Lippen-Kiefer-Gaumenspalten, an Fehlbildungen an Händen und Füßen, an den Folgen von Verbrennungen. Zum zwölften Mal war Dr. Schlosser jetzt dort. Schon 1000 Erwachsene und 700 Kinder wurden von dem Ärzteteam aus Deutschland operiert.

Unvorstellbare hygienische Zustände

Sechs Mitarbeiter der Stiftung flogen mit, sechs weitere kamen aus anderen Häusern. Der Verein „Rotary Hattingen hilft“ finanziert diese Hilfsreisen zum großen Teil, auch „German Rotary Volunteer Doctors“ unterstützt sie. Für das Projekt ist eigens medizinisches Gerät angeschafft worden. Ist der OP eingerichtet, wird außer sonntags täglich von acht bis 20 Uhr operiert. Seit 2004 mit dabei ist Dr. Jihan Mohasseb, am EvK Chefärztin der Klinik für Mund-, Kiefer-, Gesichtschirurgie und Plastische Operationen.

128 Patienten konnten die Engagierten bei der Reise in diesem Jahr helfen. „Die Kontinuität ist ein Vorteil. Wir sehen die Menschen im darauf folgenden Jahr wieder, können sie eventuell erneut operieren“, so Schlosser. Eine Warteliste für 2016 führen die Mediziner auch schon.

Ein Kieferorthopäde und eine Logopädin arbeiten mit den Patienten

Zufrieden ist Schlosser darüber, dass das Behandlungsniveau inzwischen an den deutschen Standard angepasst werden konnte. „Viele Organisationen finanzieren die Operation von Lippen-Kiefer-Gaumenspalten. Aber selten wird das Krankheitsbild komplett behandelt“, weiß Jihan Mohasseb. Das ist in Jalna anders. Inzwischen gibt es einen Kieferorthopäden und eine Logopädin vor Ort, die im Anschluss an die OP mit den Patienten arbeiten können.

Ein Arzt des Jalna Mission Hospitals wählt die Patienten aus, die dem Team aus Deutschland vorgestellt werden. Dann erstellen die Mediziner den OP-Plan. Auch unterernährte Kinder werden behandelt. Viele Verbrennungsopfer zeigen Vernarbungen, „wie man sie hier in Deutschland gar nicht sieht, weil ganz anders behandelt wird“, so Schlosser. Er erinnert sich an einen Patienten, dem das Kinn auf der Brust festgewachsen war, an eine Frau, die die Beine nicht mehr bewegen konnte – und im Jahr darauf ohne Gehhilfen vor ihnen stand. „Uns geht es um die Wiederherstellung der Funktionalität.“

„In Afrika ist es viel, viel sauberer“

Die hygienischen Zustände in Indien, sagen die Helfer, sind unvorstellbar. „So viel Dreck“, berichtet Schlosser. Und: „In Afrika ist es viel, viel sauberer.“ Dort hat Schlosser früher mal geholfen, bevor er sein Auto an jemanden verkaufte, der bei der Deutschen Bank in Bombay arbeitete. Bei der Probefahrt kam man ins Gespräch. „Als ich erzählte, was ich mache, fragte er, ob man so etwas nicht auch in Indien anbieten könnte. Ich war sofort Feuer und Flamme.“ Der Kontakt zu Rotary Bombay entstand – und zu Jalna, 320 Kilometer östlich von Bombay gelegen.

Vor Ort leben die Helfer in einem Fünf-Sterne-Hotel, das nicht vergleichbar mit einem Fünf-Sterne-Hotel in Deutschland ist. Worauf sie sich bei der Rückkehr freuen? „Aufs Duschen“, so Dr. Alexis Landers, Oberarzt der Klinik für Mund-, Kiefer-, Gesichtschirurgie und Plastische Operationen. Vier Mal war er bereits in Indien. Er fährt wieder hin, um zu helfen.