Witten. . Bürgermeistern bewirbt sich aus dem Amt um Wiederwahl im September. Aus dem parteiinternen Kandidatenrennen mit Frank Schweppe steigt sie aus.

Die Bürgermeisterin hatte die örtlichen Medien am Freitag kurzfristig ins Rathaus gebeten, um eine persönliche Erklärung abzugeben. Nach der letzten von drei Stadtteilkonferenzen der SPD habe sie noch eine Nacht über diese Entscheidung geschlafen, sagte sie dann, jetzt wolle sie „Klartext“ reden: „Ich werde aus dem Amt heraus bei der Bürgermeisterwahl kandidieren. Und ich sage: Die Bürgerinnen und Bürger sollen selbst entscheiden.“ Was sie meint: . . . und eben nicht nur maßgebliche Teile der SPD-Spitze.

Bisher hatte Sonja Leidemann diese Möglichkeit ins Kalkül gezogen, aber sich noch alle Türen offen gelassen. Als Amtsinhaberin kann sie sich nach dem einschlägigen Paragrafen des Kommunalwahlgesetzes selbst am 13. September zur Wahl stellen, ist als Einzige nicht darauf angewiesen, von einer Partei oder Liste vorgeschlagen zu werden. Diesen Weg wählt sie jetzt und geht damit in die Offensive.

Denn Leidemann, die 2004 von der SPD und 2009 von SPD und den Grünen ins Rennen geschickt wurde, wird definitiv nicht wieder als Kandidatin „der SPD“ antreten. Denn auch das hat sie jetzt für sich entschieden: „Ich werde mich nicht der Vertreterversammlung zur Wahl stellen“. Aus dem laufenden SPD-internen Kandidatenrennen mit Frank Schweppe steigt sie aus.

Am 7. März sollten 35 Delegierte der 17 SPD-Ortsvereine über den SPD-Bürgermeisterkandidaten abstimmen. Nach dem frühen Rückzieher von Wirtschaftsförderer Klaus Völkel wird der Erste Beigeordnete dort jetzt allein zur Wahl stehen.

Streitpunkt Mitgliederversammlung

Sonja Leidemann hatte sich in den einzelnen Ortsvereinen vorgestellt, war auf den drei Stadtteilkonferenzen gegen Schweppe angetreten. Warum zieht sie jetzt noch zurück? Sie sei zuversichtlich, dass sie in der Partei, aber auch weit darüber hinaus, viele Unterstützer habe, sagt sie. An den drei Konferenzen hätten aber insgesamt nur gut 120 Genossen teilgenommen, 90 Prozent der knapp 1200 Mitglieder habe man gar nicht erreichen können. Ein Indiz für Leidemann: „Umso wichtiger wäre eine Mitgliederbefragung gewesen.“

Tiefes Zerwürfnis

Kampflos räumt Sonja Leidemann nicht das Feld. Sie verteidigt ihr Lebenswerk, will es fortsetzen. Von der eigenen Parteispitze wurde sie fallen gelassen. Einigen Genossen ist sie als Bürgermeisterin nicht rot genug, lässt sich nicht in die Parteiarbeit einbinden, wo sie der SPD doch ihr Amt verdanke. Leidemann sieht sich als Bürgermeisterin aller Wittener.
Die frühe interne Ankündigung, sie könne auch alleine antreten, nahm man ihr sehr krumm, sah darin eine Erpressung. Jetzt zieht sie diese Karte, setzt auf den Amtsbonus.

Das Zerwürfnis der SPD geht weit, viele Genossen leiden darunter. Das ist aber nicht das Problem aller Wittener. Die dürfen sich auf ein spannendes Wahljahr freuen.

Dass der Parteivorstand am Donnerstagabend bei der letzten Stadtteilkonferenz noch einmal „mit großer Vehemenz“ klargestellt habe, es werde keine SPD-Mitgliederbefragung zur Bürgermeisterkandidatur geben, habe bei ihr das Fass zum Überlaufen gebracht, so Sonja Leidemann. Sie verweist auf Beispiele in Essen und Dortmund – und natürlich hätte sie sich auch einer anschließenden Vertreterversammlung gestellt. Das Argument der Parteispitze, man dürfe ins laufende, beschlossene Verfahren nicht eingreifen, hält sie für vorgeschoben. Den ersten Vorstoß dafür habe der Ortsverein Ardey rechtzeitig im Oktober gemacht.

„Die haben Angst vor dem Ergebnis einer Mitgliederbefragung“, sagt die Bürgermeisterin und meint damit die Parteispitze. Sie selbst misstraut ganz offen einer Delegiertenversammlung.

Leidemann: Ich bleibe in der SPD

35 Delegierten könne man in diesem Fall die Entscheidung über den SPD-Bürgermeisterkandidaten nicht überlassen, so Sonja Leidemann. Niemand garantiere, dass diese den Willen der SPD-Mitglieder auch tatsächlich wiedergeben. Die Vertreter seien nicht an die Meinung der Ortsvereine gebunden, die sie in die Versammlung am 7. März entsenden. Zudem hätten einige Ortsvereine im Vorfeld abgestimmt, andere nicht.

Von Teilen der SPD-Basis fühlt Leidemann sich weiterhin unterstützt. Über das gestörte Verhältnis zu „Teilen des Stadtverbandsvorstands und der Fraktionsspitze“ spricht sie jetzt offener als zuvor. „Ich hätte mir gewünscht, dass der Parteivorstand mich wenigstens fragt, ob ich kandidieren möchte.“ Stattdessen habe der damalige Vorsitzende Thomas Stotko „vier Namen genannt und meiner war nicht einmal dabei.“

Trotz des Bruchs mit der Wittener Parteispitze will Sonja Leidemann weiter in der SPD bleiben. „Ich bin über 25 Jahre Mitglied und weiß nicht, warum ich das nicht bleiben sollte. Soziale und demokratische Inhalte liegen mir weiter am Herzen.“ Für einen bereits laut gewordenen Ruf nach einem Parteiausschluss gebe es weder einen Grund, noch eine rechtliche Handhabe. Das Organisationsstatut sehe diesen nur für den Fall vor, dass ein SPD-Bürgermeister seine Kandidatur „aus dem Amt“ ankündigt, wenn die Partei bereits einen anderen Kandidaten nominiert hat. Diesem Szenario ist Leidemann nun zuvorgekommen: Sie hat ihre eigenständige Kandidatur erklärt, bevor die SPD einen anderen Kandidaten aufgestellt hat.

Enttäuscht über Gegenkandidaten

„Ich war persönlich schwer enttäuscht, als Herr Schweppe sagte, er werde gegen mich antreten“, sagt sie zum Aufspringen des Ersten Beigeordneten auf das Kandidatenkarussell. „Never change a winning team“, habe doch lange zwischen ihnen beiden gegolten. Im Übrigen widerspricht sie der Darstellung, Schweppe sei zur Kandidatur gedrängt worden. Darum habe sich der Beigeordnete schon selbst aktiv bemüht.

Bei der Wahl am 13. September will sich Leidemann um die Stimmen aller Wittener bewerben. Kontakt zu anderen Parteien und Fraktionen will sie ebenfalls aufnehmen. Wie aber will sie einen Wahlkampf finanzieren? „Den habe ich schon in der Vergangenheit immer selbst bezahlt“, sagt sie. Sie habe dafür Sonderbeiträge an die Partei abgeführt. Auch in den nächsten Wahlkampf werde sie eigene Mittel investieren. Außerdem hätten einige Wittener in Aussicht gestellt, sie und ihr Wahlkampfteam zu unterstützen.