Witten. . Gregor Grun sucht nach seiner leiblichen Familie. Der 34-Jährige selbst wurde als Baby adoptiert. Sein Halbbruder könnte um die Ecke wohnen.

Verzweifelt, nein, so wirkt Gregor Grun nicht. Eher entschlossen. So, als ob er das bis zum Ende durchziehen will. Der 34-Jährige Annener sucht nach seinem jüngeren Halbbruder. Was er weiß: Der junge Mann wurde am 14. Oktober 1994 geboren, ist also inzwischen 20 Jahre alt und lebt sehr wahrscheinlich in Witten.

Gruns eigene Geschichte beginnt am 6. Januar 1981, als er im Diakonissenhaus geboren und gleich zur Adoption freigegeben wird. „Als meine Mutter die Entscheidung damals noch rückgängig machen wollte, war ich schon weg“, sagt Gregor Grun und lächelt – denn er weiß: „Bei meinen Adoptiveltern hatte ich es besser“. Sein älterer Halbbruder – zu ihm und beider Mutter hält er inzwischen losen Kontakt – wuchs bei der Oma und im Heim auf. Grun selbst habe eine „sehr schöne Kindheit“ gehabt. Er ging erst zur Hüllberg-, dann zur Adolf-Reichwein-Realschule und machte sein Fachabi am Berufskolleg. Heute besucht der Bürokaufmann neben dem Job noch die Abendschule, den Betriebswirt hat er bald in der Tasche.

Grun war acht Jahre alt, als er erfuhr, dass er „aus dem Bauch einer anderen Frau“ gekommen ist. Seine Adoptiveltern seien offen damit umgegangen, unterstützen ihn bei der Suche. Als Teenager sei erstmals die Sehnsucht in ihm erwacht, seine leibliche Familie kennenzulernen. Grun wuchs als Einzelkind auf, doch tief in ihm drin, „da war immer der Wunsch nach Geschwistern“.

Acht Adoptionen im vorletzten Jahr

Für 2013 verzeichnet das Wittener Jugendamt acht Adoptionsvermittlungen. Meist handele es sich um Stiefelternadoptionen. Dass Säuglinge inkognito adoptiert werden, sei eher selten, so Gisela Klotz von der Adoptionsvermittlungsstelle. Das Offenbarungs- und Ausforschungsverbot erschwere in diesen Fällen später die Chance, etwas über die leibliche Familie zu erfahren.

Wer etwas über Gregor Gruns jüngeren Halbbruder zu wissen meint, meldet sich bitte bei der WAZ-Redaktion: 910 3030. Wir leiten die Info dann weiter.

2005 wandte sich seine Adoptivmutter ans Wittener Jugendamt, das den Kontakt zur leiblichen Mutter herstellte. „Erst haben wir uns geschrieben. Später blieb es bei wenigen Treffen.“ Als er seine Mutter erstmals in einer Dortmunder Gaststätte kennenlernte – sein älterer Halbbruder war mit dabei – „saß da eine fremde Frau vor mir“. Die viel beschworenen Blutsbande, sie wollten sich nicht einstellen. „Aber ich konnte ihre einstige Entscheidung akzeptieren“, sagt Grun.

Längst hat er selbst eine Familie gegründet, seine Kinder sind fünf und acht Jahre alt. Seit einem Jahr ist er geschieden, teilt sich das Sorgerecht mit seiner Ex-Frau und betont: „Ich könnte mir nie vorstellen, meine Kinder abzugeben.“ Doch die Trennung habe den Wunsch erneut verstärkt, die eigenen Wurzeln zu finden. Denn inzwischen wusste er von seinem jüngeren Halbbruder. Auch habe er erfahren, dass sein Vater aus Italien stamme und sich vor seiner Geburt aus dem Staub gemacht habe. Auf Sizilien solle er leben. Grun hat da natürlich längst nachgeforscht, etwa beim deutschen Konsulat in Rom – erfolglos.

Nun setzt Grun alle Hoffnungen auf den jüngeren Halbbruder, der ebenfalls bei Adoptiveltern aufwuchs. Die Suche via Facebook verlief bereits im Sande, beim Jugendamt vermochte man ihm aus Datenschutzgründen nicht zu helfen. „Dabei könnte es sein, dass er um die Ecke wohnt und wir uns schon über den Weg gelaufen sind“, sagt er. „Ich möchte so gern wissen, was er bis jetzt erlebt hat, ob wir uns ähnlich sehen.“ Sein größter Wunsch: „Bitte melde dich.“ Und selbst wenn sich dann herausstellen sollte, dass der Jüngere gar keinen Kontakt wünscht, „könnte ich wenigstens einen Schlussstrich ziehen“.